Vor 200 Jahren entstand am Genfer See Mary Shelleys Klassiker „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ und begründete damit das Genre des Science Fiction. Die Überwindung des Todes ist ein Thema, das jeden interessiert, wahrscheinlich ist dies auch der Grund, warum der Roman immer noch so aktuell und zeitgemäss präsent erscheint. Im Schauspielhaus Zürich gibt es nun eine nicht uninteressante (Zukunfts)Version zu erleben…
Nach knapp 2 Stunden ist man als Zuschauer – im eher wenig gut besuchten Pfauen – erschlagen von DIETMAR DATHs theoretischen Textkonstrukten, die zwar stellenweise interessant, manchmal sogar witzig, aber eben nicht wirklich theatergängig und spielbar sind und so hinterlässt dieser Abend einen eher mässigen, aber nicht uninteressanten und letztendlich doch bleibenden Eindruck. Keine leichte Kost. Aber es wäre etwas banal gewesen, einfach die Handlung des Romans nach zu erzählen und so ist man, nach etwas Abstand, doch geneigt, diese Produktion lobend zu bewerten (bei aller Herausforderung und Anstrengung für das nicht wissenschaftliche Publikum). Wie immer bei STEFAN PUCHERs Inszenierungen steht eine Bilderflut im Vordergrund, die das Schauspieler-Ensemble etwas blass erscheinen lässt, an diesem Übermass an eher eindimensionalen wissenschaftlich anmutenden Texten sowieso, da bleibt wenig Spiel für Interpretation und wenn dann doch der Schauspieler mal etwas in den Vordergrund tritt, dann sind es eher die Szenen, die einem fast schon im trashigen Comedy-Format erscheinen. Das Bühnenbild von BARBARA EHNES setzt auf Effekt, knallige Farben und viel Bühnennebel (Thom Luz hätte seine wahre Freude daran…), die Kostüme von ANNABELLE WITT nehmen das eher trashige Thema auf und schaffen fast schon Karikaturen der einzelnen Protagonisten (köstlich die zartrosa Perücke samt riesiger Brille von JULIA KREUSCH als Dr. Walton). EDMUND TELGENKÄMPERs Figur des namensgebenden Viktor Frankenstein bleibt etwas blass, auch wenn er aussieht wie eine Mischung aus Teodor Currentzis und Adolf Hitler. Amüsant trocken FRITZ FENNE als Viktor Frankensteins Gehilfe Totoschka, LENA SCHWARZ als Elisabeth Lavenza wackelt manieristisch-monstermässig über die Bühne, ROBERT HUNGER-BÜHLER (der im ihm so eigenen Sprachduktus seine Texte zelebriert) als das Geschöpf wirkt häufig ein wenig verloren. Einzig INGA BUSCH (als Prof. Anna Waldmann) wirkt in dem Ganzen etwas lebendiger und eigenständig und hat denn auch das grosse pathetische Schlusswort im Stück (auch wenn bei ihr alles immer ein wenig pollesch-mässig rezitierend daherkommt….). Sehr zäh und ermüdend der ellenlange Dialog auf der auf- und ab pendelnden Brücke zwischen Frankenstein und seinem Geschöpf. Insgesamt gesehen ist das ein anspruchsvoller Abend und man kann verstehen, dass viele Zuschauer enttäuscht sind, denn beim Thema Frankenstein hat man wohl eine vorgefertigte Meinung, was das Stück beinhalten sollte/müsste. Das tut es aber nicht, Daths Text (mit immer wieder eingestreuten Zitaten aus Shelleys Original) und Puchers bildstarke Version und die grossartigen Videosequenzen von CHRIS KONDEK sind eine Zukunftsprognose, eine Vision, ein Ausblick, was mit all der bereits vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnis von zukünftigen Generationen noch erschaffen werden kann/wird. Das bereits zu Beginn dominante starke Bild der in Flüssigkeit hängenden menschlichen Avataren, die auf ihre Auferstehung warten, ist nur eine dieser Visionen. Das ist einerseits beängstigend, andererseits gibt es auch Antworten und erfüllt den schon immer vorhandenen Menschheitstraum nach ewigem Leben und Überwindung des Todes. Will man das? Diese und alle weitere Antworten muss wohl jeder für sich selbst beantworten, der Abend von Dath und Pucher bieten hierzu aber schon mal die entsprechenden Fragestellungen…
Vielen Dank Adrian, ich war nicht wirklich motiviert Frankenstein mir im Theater anzuschauen und gleichzeitig neugierig, wie man das wohl inszenieren will (?). Dank deiner Kritik habe ich genug erfahren.
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Lieber Albrecht – danke für Dein Feedback. Für mich ist es immer erstaunlich, dass ich direkt im Anschluss an eine Vorstellung einen ganz konkreten Eindruck habe – sobald ich mich aber hinsetze, um meine Gedanken niederzuschreiben, wird es dann häufig etwas anderes. „Frankenstein “ im Pfauen hat mit dem Shelley – Frankenstein wenig zu tun, ist aber sehenswert, weil es heutige zeitgemässe Fragen zu Wissenschaft und Forschung stellt, das fand ich sehr interessant, aber auch fordernd….liebe Grüsse A.
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Ich ziehe meinen Hut vor deinem Durchhaltevermögen. Danke, dass ich nun zumindest weiss, was ich an geistiger Nahrung hätten mitnehmen können, so ich denn nicht kapituliert und in Gedanken den Saal verlassen hätte.
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Lieber Pio, so ganz easy war die Vorstellung für mich auch nicht, ich habe mich permanent gefragt, ob mir das nun gefällt oder nicht und versucht etwas für mich zu finden an diesem Thema. Ich bin nicht so sonderlich interessiert an Wissenschaft und Forschung, fand es dann aber letztendlich gut, so wie der Abend aufbereitet war. Das wurde mir aber auch erst klar, als ich draussen stand und auf die Tram gewartet habe bzw. viele Dinge erst, als ich angefangen habe, sie nieder zu schreiben. Ich glaube rückwirkend betrachtet hätte ich es auch sehr tröge gefunden, wenn einfach nur Shelleys Roman erzählt worden wäre, da lese ich lieber den Roman nochmals (was ich eh grad tue, by the way….)…..herzlichst A.
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