Endlich konnte man die australische Dirigentin SIMONE YOUNG mit ihrem lange erwarteten Debüt in der Tonhalle Zürich erleben, das Programm war wunderbar, sehr speziell und eben darum der Saal auch nur mässig gut verkauft – what a shame…!
Das Konzert beginnt mit „Apollon musagète“ in der revidierten Fassung von 1947, einem der weniger populären Ballette Strawinskys und – ganz ehrlich – es ist auch wirklich Geschmacksache, denn dem Werk fehlt ganz offensichtlich der Pep, die Energie und Kraft, der treibende Rhythmus, den man von seinen anderen Balletten gewohnt ist. Das gut 30 minütige Werk stützt sich auf die musikalische Sprache der Epoche Ludwig XIV und ist neoklassizistisch verfremdet und plätschert – bis auf ein paar wenige interessante Passagen – mehr oder weniger dahin. Zuletzt habe ich das Stück unter Charles Dutoit 2011 ebenfalls mit dem Tonhalle Orchester gehört (allerdings nur die Ballett-Suite in zwei Bildern, zusammen mit „Oedipus Rex“) – ich kann mich nicht erinnern. Nach diesem etwas trögen „ganz netten“ Einstieg dann sogleich das Highlight des Konzerts – die Schweizer Erstaufführung von Bryce Dessners spannendem Stück „St. Carolyn by the Sea“, wunderbar das Zusammenspiel des Orchesters mit den beiden Solisten an der E-Gitarre BRYCE DESSNER und DAVID CHALMIN. Spannende Musik, die packt und die absolut berückendsten 15 Minuten Musik seit langem sind. Bryce Dessner ist in der Saison 2023/2024 Creative Chair des Tonhalle Orchesters und sagt über sein Stück „St. Carolyn by the Sea“: „Als ich das Stück schrieb, befand ich mich in einem Zustand emotionalen Traumas. Es hat eine leichte romantische Intensität, und es wechselt die Stimmungen. Es beginnt mit einer Art süsser Sehnsucht und geht dann in den aggressiveren Teil über und hat eine Art triumphales Ende.“ Und genau das ist auch zu hören, mehr muss dazu nicht mehr gesagt werden. Simone Young hat sichtlich Freude dieses Stück zu dirigieren, überhaupt wirkt ihr Dirigat äusserst lustvoll, konzentriert und gleichzeitig sehr entspannt. Ich mag es, wenn Sie mit einer Hand elegant weiter dirigiert, während sie sich mit der anderen Hand relaxed auf das Geländer des Podestes stützt. Sehr sympathische Attitüde.
Igor Stravinsky: „Apollon musagète“ (revidierte Version 1947) – Bryce Dessner: „St. Carolyn by the Sea“ für zwei elektrische Gitarren und Orchester (SEA) – Richard Strauss: „Also sprach Zarathustra“ op. 30. Tondichtung für grosses Orchester
Nach der Pause dann die Tondichtung „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss, dessen Bombast-Einleitung „Sonnenaufgang“ seit Kubricks Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ von 1968 wohl jeder kennt. Das Tempo dieser Einleitung wird von Young – für meinen Geschmack – viel zu getragen und fast etwas spannungslos zelebriert. Erst danach bei den üppigen Strauss’schen Streichern beginnt das Orchester zu leuchten, arbeitet sie sämtliche Farben dieser Partitur heraus. Das erstaunt doch etwas, denn Simone Young hat mich bereits mehrfach als Strauss-Dirigentin überzeugt (u.a. „Elektra“ 2017 in München und 2019 Zürich, „Die Frau ohne Schatten“ 2005 in Hamburg). Die dann spürbare Spannung hält bis zum Schluss, wenn sich das Werk langsam davon macht, Ruhe einkehrt, sich der Kreis schliesst, denn „Apollon musagète“ endet ähnlich sinnlich und ruhig. Hoffentlich ist Simone Young nun öfters in der Tonhalle zu erleben, der Applaus zum Konzertende war leider eher verhalten. Mit Simone Young bei diesem Konzert, Alondra de la Parra (28.-31.12.23) und Joana Mallwitz (2.-5.07.23) sind nun auch endlich vermehrt Frauen am Pult des Tonhalle Orchesters, hier muss man nicht besonders darauf aufmerksam machen, das sollte selbstverständlich sein.
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