Mit „Einer von den Guten“ ist nun bereits der dritte Band der Reihe um den Ermittler Ben Neven erschienen und einmal mehr kann man diesen feinfühligen, hochsensibel geschriebenen Roman aufs Wärmste empfehlen – es ist so viel mehr als ein Krimi, es ist ein spannendes Psychogramm…
Nach „Sommer bei Nacht“ und „Am roten Strand“ nun also die sehr lesenswerte Fortsetzung. Ben Neven ist „Einer von den Guten“ und dennoch führt er ein Doppelleben, ist ein interessanter, ungewöhnlich ambivalenter Protagonist und wohl auch der erste Ermittler mit pädophilen Neigungen, die er auch auslebt und die im Kontext zur Geschichte natürlich sehr brisant sind. Klar ist, diese Geschichte löst kontroverse Diskussionen aus. Gerade deshalb ist diese Reihe so absolut lesenswert, denn Jan Costin Wagner wertet nicht, ganz neutral erzählt er aus den unterschiedlichen Perspektiven. Es ist ein kluges Buch, feinfühlig geschrieben, denn Ben Neven ist auch ein Sympathieträger, der mit seiner Familie ein glückliches Leben führt, auch wenn das Thema Missbrauch immer im Raum steht. Gleichzeitig ist da der minderjährige Junge Adrian, der seine Dienste am Parkplatz anbietet und zum ersten Mal in seinem Leben die Liebe kennenlernt, sich ihm endlich die Chance bietet, aus dieser Abhängigkeit der Zwangsprostitution zu entkommen.
Ben Neven, leitender Kriminalermittler, glücklich verheiratet, Familienvater, von Kolleginnen und Kollegen hochgeschätzt, ist einer von den Guten. Niemand weiß von seinem Doppelleben, niemand weiß, dass Neven einmal wöchentlich einen Parkplatz weit von zu Hause ansteuert. Um dort Adrian zu treffen, einen minderjährigen Jungen. Während der Sommer verblasst und der Herbst anbricht, verstrickt sich Neven immer tiefer und auswegloser im Dickicht seines ungeheuerlichen Doppellebens. Und Adrian lernt die gleichaltrige Vera kennen, die ihm ein ganz anderes Leben zeigt. Ein Leben, das er nicht kannte und das er vor seinem Vater, der ihn zur Prostitution zwingt, verbergen muss. Sowohl Ben als auch Adrian müssen radikale Entscheidungen treffen, um die unhaltbare Situation zu ändern. Doch jeder Schritt ist ein Schritt am Abgrund. Wenn Neven sich jemandem anvertraut, steht seine Existenz auf dem Spiel. Und Adrian müsste sich von seinen Wurzeln und seinem alten Leben komplett lossagen. Werden sie einen Ausweg finden? Und wenn ja, um welchen Preis? (Galiani Verlag)
Gerade weil die Figuren nicht bewertet werden, ist es eher eine hochpsychologische Analyse, als ein Kriminalroman. Als Leser hat man die Möglichkeit sehr tief ins das Seelenleben, in die Konflikte von Ben Neven, aber auch anderer Figuren zu sehen. Hinzu kommt der sehr klar gehaltene Stil Wagners, der mir persönlich ausserordentlich gut gefällt. Sämtliche Figuren stehen am Abgrund und man fragt sich als Leser, wer springt, wer dreht um und schlägt einen neuen gangbaren Weg ein. Oder gibt es weder ein vor, noch ein zurück? Für mich sind sämtliche Handlungen nachvollziehbar und ich verurteile niemanden. Das liegt an der hochsensibel geschriebenen Geschichte, das liegt am Blick von aussen. Anders als bei anderen Serien, würde ich hier jedoch unbedingt empfehlen mit dem ersten Band zu starten, nur so kann man die Entwicklung verfolgen. Es sind keine einzeln abgeschlossenen Romane und genau das macht auch den Reiz dieser Geschichte aus. Man kann es kaum erwarten zu lesen, wie sich dieser ungewöhnliche Plot weiterentwickelt. Und sollte es bei dieser Trilogie bleiben, so wäre das absolut in Ordnung, auch wenn die Geschichte dann nicht zu Ende erzählt wurde.
„Einer von den Guten“ von Jan Costin Wagner, 2023, Galiani Verlag, ISBN: 9783869712604 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein digitales Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Galiani Verlag sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
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