Ragnar Kjartansson: The Visitors – Migros Museum für Gegenwartskunst.

Während alle Welt draussen das herrliche Wetter am Pfingstsonntag geniesst, schaffen wir es noch am letzten Tag ins Migros Museum für Gegenwartskunst, um die wunderbare Videoinstallation des isländischen Künstlers RAGNAR KJARTANSSON zu sehen. Ich hätte das um keinen Preis verpassen wollen…

„The Visitors“ wurde für seine Einzelausstellung im Migros Museum für Gegenwartskunst 2012 produziert und war seither weltweit in vielen Kunstinstitutionen zu sehen.

The Visitors entführt die Besucher*innen in das eigentümliche Universum einer historischen Villa am Hudson River in Upstate New York. Hier trifft sich eine Gruppe von Freund*innen, um vor der malerisch verfallenen Kulisse der geschichtsträchtigen Rokeby Mansion gemeinsam einen Song zu spielen – einen, in den Worten des Künstlers, «femininen, nihilistischen Gospel-Song». Acht Musiker*innen und ein Chor tragen in einer ununterbrochenen 64-minütigen Videoaufnahme ein Lied vor, das auf collagierten und von Kjartansson und Davíð Þór Jónsson vertonten Textfragmenten der Künstlerin Ásdís Sif Gunnarsdóttir basiert. Die Projektionen zeigen jeweils eine*n Musiker*in in einem der Innenräume sowie den Chor auf der Veranda, wobei sich die Szenen und Soundtracks zu einem raumfüllenden filmischen Tableau zusammenfügen. Die Performance vor laufender Kamera kann nicht nur als ein kinematographisches und musikalisches Experiment, sondern auch als vielschichtiges Porträt der Freundschaft verstanden werden. The Visitors ist ein einzigartiges visuelles und akustisches Arrangement, welches die Erfahrungen von Liebe und Verlust, Trennung und Wiedervereinigung ergreifend zum Ausdruck bringt. (Migros Museum für Gegenwartskunst)

In einem Interview im „The Guardian“ antwortet Kjartansson auf die Frage, ob „The Visitors“ sein Lieblingswerk ist: „It has a special place in my heart, but it was such a feelgood piece that I had to make some really dark shit afterwards“. Das kann man sich gut vorstellen, denn verweilt man die 64 Minuten dauernde Videoarbeit im Saal, ist man absolut gechilled im Anschluss und spürt immer noch die Vibes dieser absoluten Feelgood-Music, einem Gospelkonzert mit vielen Stimmen ähnlichen Happening auf 9 Leinwänden, voll von Emotionen, voller Melancholie, Traurigkeit und einem überbordenden Mass an Freundschaft und Familienglück. Den Ohrwurm „Once again I fall into my feminine ways“ hat man noch Stunden später im Ohr. Diese Videoarbeit trägt – und das sagt er auch – die Melancholie des letzten Abba-Albums „The Visitors“ in sich.

Und wenn man dann im Saal liegt oder sitzt oder steht und ein Musikzimmer nach dem anderen leert sich und irgendwann pilgern dann alle gemeinsam in die Ferne der grossen grünen Wiese, so möchte man fast applaudieren, so stark ist die Ergriffenheit, die diese Arbeit in einem auslöst. Und selbst noch in den letzten Minuten, wenn alle Videokameras nacheinander ausgestellt werden und man im dunklen Saal zurückbleibt möchte man, dass dieses Wohlgefühl nicht endet. So stellt man sich einen schönen sommerlichen Tag vor, musizierend mit Freunden, einem Tag der niemals enden soll. Bei „The Visitors“ lässt der Künstler uns am Entstehungsprozess des Werkes teilhaben und lädt uns als Zuschauer dazu ein, in ein intensives und emotionales Kunsterlebnis einzutauchen. So eine schöne Videoinstallation! Wunderbar ist das! Made my (Sun)Day!

Inspiriert von Kjartanssons Videoinstallation, die als Hommage an die Freundschaft verstanden werden kann, hat das Team des Migros Museums für die Ausstellung ACTS OF FRIENDSHIP Arbeiten aus der Sammlung ausgewählt, die aus seiner Sicht bestimmte Aspekte von Freundschaft verkörpern. Diese Schau lohnt sich ebenfalls sehr, alleine schon wegen der beiden Fischli/Weiss-Arbeiten mit den Cervelats und der interessanten Videoarbeit von ELODIE PONG „Secrets for Sale“.

MIGROS Museum für Gegenwartskunst, Limmatstrasse 270, CH-8005 Zürich – www.migrosmuseum.ch

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