Nach der grossartigen musikalisch-tänzerischen Produktion von Verdis „Messa di Requiem“ in der vergangenen Spielzeit, legt Ballettchef Christian Spuck in der gleichen Liga nach und zeigt einen wundervollen Abend des Zürcher Balletts mit der musikalisch sehr interessanten Fassung Hans Zenders von Schuberts Liedzyklus „Winterreise“…
Im wintergrauen Bühnenbild von Rufus Didwiszus ist von Schuberts Romantik nichts zu spüren, dafür bietet die Ausstattung und das Lichtkonzept (Martin Gebhardt) sämtliche Nuancen an Traurigkeit und tiefer Melancholie bis hin zur immerfort präsenten Todessehnsucht. Wie immer in Christian Spucks Balletten beweist er auch in der „Winterreise“ ein sehr glückliches Händchen beim Kostümbild (wunderbar von: Emma Ryott). Für jedes einzelne Stück findet Spuck wunderschöne und beeindruckende Bilder, die lange nachhallen – so lässt er beim wohl bekanntesten Stück des Zyklus – dem „Lindenbaum“ – Tänzer auf Stelzen und mit Reissigbündeln am Rücken über die Bühne schreiten oder verweist mittels einem Antilopenkopf auf die langen (Irr)Wege von suchenden Wanderern weltweit.
(Szenenfotos: Gregory Bartadon)
Gesamthaft zeigt Spuck in dieser Umsetzung viele menschliche Gefühlsregungen und Emotionen: Einsamkeit, Entfremdung, Traurigkeit, unendliche Melancholie, Sehnsucht in teils berückend schönen Bildern. Die Bilder, Choreografien, Bewegungsabläufe bleiben haften und prägen sich ein, haben eine Schönheit, die im Einklang mit der Musik ein abendfüllendes, fast schon gemäldeartiges Gesamtkunstwerk erschaffen. Hans Zenders Bearbeitung des Zyklus legt die Irritationen und Widersprüche der Komposition Schuberts und der Texte Wilhelm Müllers bloss und verstärkt sie, ergänzt mit verschiedenen Vor- und Zwischenspielen und im Graben betörend poetisch interpretiert von Thomas Erlank, getragen von der Philharmonia Zürich (am Pult: Emilio Pomàrico). Hans Zenders Version ist sehr interessant arrangiert und instrumentiert und bietet spannende neue Klangeindrücke dieses „Klassikers im Lied-Repertoire“. Spuck findet die entsprechenden Bilder dazu. Die Müdigkeit des Wanderers, die Eiseskälte wird spür- und erlebbar für den Zuschauer, der nicht nur an den äusseren Begebenheiten teilnimmt, sondern eben auch an dieser teilweise verstörenden Reise ins Innenleben. Der allzeit präsente Tod und die Sehnsucht danach ist allgegenwärtig und manifestiert sich im endlos drehenden Musikkasten des „Leiermanns“ zum Abschluss des Zyklus – einer der stärksten Momente – als Duett der grossartigen Yen Han zusammen mit Filipe Portugal. Haften bleibt das gemäldeartige starke Bild des Ensembles, ihrer Kleidung entblösst mit den vielen schwarzen Raben und der langsam auf seinem Weg weiterwandernde Sänger, bevor sich der Vorhang langsam wieder schliesst. Bravi!
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