Zum Start in meine persönliche Opernsaison 2018/2019 als Auftakt ein grossartiger „Macbeth“ und gleichzeitig der Start in eine Barrie Kosky – Woche“, denn am 2.10. folgt dann gleich die Neuinszenierung von Schrekers „Die Gezeichneten“ – beides an der Oper Zürich. Besser hätte der Start nicht laufen können, denn diese Koskys-Inszenierung, die ich leider zur Premiere 2016 nicht sehen konnte, ist wohl eine der interessantesten und spannendsten Arbeiten unter der Intendanz von Andreas Homoki…
Das minimalistische Konzept von Kosky ist alles andere als grosses Belcanto und Ausstattungsoper, es zeigt „Macbeth“ als düsteres Kammerspiel, als intensiven Albtraum und Rausch, der – erst einmal begonnen – nicht mehr beendet werden kann und den Prophezeiungen folgend seinen mörderischen Lauf nimmt. Im düsteren bis teilweise nachtschwarzen (von Verdi wohl auch so angedachten) Bühnenbild- und Licht, das im Grunde den Gedanken aufnimmt, ein endlos langer Tunnel zu sein, der nur auf ein Ziel hinauslaufen kann – blutige Morde – nehmen also sämtliche Vorhersagen der Hexen ihren Lauf. Man weiss nie ganz genau, ob sich der Abend auch nur im Kopf von Macbeth und seiner Gattin abspielt, denn die Hexen sind viel mehr als nur körperliche Gestalten, sie sind eine Masse aus nackten – in ihrer Sexualität aber undefinierten – Leibern, die immer wieder – wie ein Gedanke – auftauchen und von den beiden Besitz ergreifen und die Handlung sozusagen auch vorantreiben. Der aufkeimende (Grössen)Wahnsinn wird immer deutlicher. Musikalisch und szenisch ist diese Vorstellung aus einem Guss. Francesco Lanzillotta und die Philharmonia Zürich lassen einen hart phrasierten lauten Verdi aus dem Graben erklingen, der mit der Düsternis auf der Bühne eine so starke Einheit bildet, dass einem – vor allem bei den ersten beiden Akten bis zur Pause – fast der Atem weg bleibt. Auf der Bühne wird geröchelt, geatmet, gestöhnt und hyperventiliert, der Albtraum ist für den Zuschauer spürbar, erlebbar, nachvollziehbar – schon lange nicht mehr so intensives Spiel auf einer Opernbühne erlebt. Das liegt vor allem an der grossartigen Besetzung, die seit der Premiere nun auch diese Wiederaufnahme zum Erlebnis macht: Markus Brück (der mich zuletzt schon als Rigoletto an der Bayrischen Staatsoper München sehr begeisterte) ist ein kraftvoller Macbeth, der seinen Bariton bis in die feinsten Nuancen austariert und ein durchgeknalltes Rollenprofil abliefert, mit dem er für die Zuschauer sämtliche Gefühlswelten – von grosser Angst bis zur wahnsinnigen Mordlust – erfahrbar macht. Tatiana Serjan ist eine Lady Macbeth, der es trotz immenser Koloraturen und Spitzentönen nicht so sehr auf Schöngesang ankommt, auch ihr Fokus liegt eindeutig auf der Nachvollziehbarkeit dieses Albtraums. Ihre Schlafwandelszene im 4. Akt, wenn sie – dann in weiss gekleidet – zusammen mit dem (mehr oder weniger allgegenwärtigen lebendigen Raben = Symbol des Blutes) versucht sich die Schuld von ihren Händen abzuwaschen, ist einer der grossen Momente des Abends. Der prächtige Bass von Wenwei Zhang als Banco und David Junghoon Kims Debüt an der Oper Zürich als Macduff (sehr schöner und vielversprechender Tenor) lassen auch in den kleineren Rollen aufhorchen – eine wirklich tolle und stimmige Besetzung. Im Saal konnte man förmlich erleben, wie sehr man als Zuschauer in diesen Albtraum hineingezogen wird, die teilweise elektrisierende und fast schon atemlose Spannung war den ganzen Abend zu spüren – so wenig nervös hustende Besucher gab es noch nie. Erst zum Schlussapplaus dann die Erlösung – Der Albtraum ist vorbei! Für mich ein toller Saison-Auftakt und sicherlich bereits jetzt ein Highlight der Saison!
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