Die aktuelle Inszenierung von Verdis „Rigoletto“ an der Bayerischen Staatsoper in München ist relativ umstritten, die „Kritik“ hat teilweise ziemlich verrissen – Ich kann das nicht nachvollziehen, es ist eine zugegeben spezielle Umsetzung, aber durchaus spannend und vor allem im 3. Akt packend und nicht uninteressant. Musikalisch insgesamt eher durchmischt, aber mit einem grossartigen Markus Brück als Rigoletto….
Die Verweigerung von Regisseur Árpád Schilling, diese – sowieso etwas abstruse – Geschichte 1:1 historisch zu erzählen, ist absolut legitim und seine Umsetzung finde ich stringent und spannend. Man fragt sich ja sowieso, warum nach dem ganzen Betrug dieser Männer sich Gilda dann auch noch für diesen Mann opfert? Das ist doch einfach lächerlich. Und dennoch packt einen diese Geschichte. Und dennoch hat es viele intime und glaubwürdige Momente wie zum Beispiel das Quartett im 3. Akt Bella figlia dell’amore (Duca/Gilda/Rigoletto/Maddalena), wenn die beiden Paarungen räumlich eng beieinander an der Rampe sind und sich gleichzeitig emotional immer weiter voneinander entfernen. Schilling zeigt Rigoletto nicht als buckligen Hofnarren, sondern als karrieresüchtigen Intriganten, dem nicht bewusst ist, was er aufgrund seines Handelns auslöst – so ist auch der ganze Abend eher unemotional angelegt und analytisch konzipiert. Die Ausstattung (Bühne und Kostüme) von Márton Ágh verortet und definiert nichts, vielmehr schafft sie eine reduzierte untermalende Ästhetik, die den Fokus auf den Sängern belässt, dabei entstehen Räume und Bilder die haften bleiben, wie etwa am Ende des 3. Aktes, wenn sich Dunkelheit über Rigoletto und Gilda senkt und sie von der restlichen höfischen Welt ausgeschlossen sind, alleine nur mit ihrem persönlichen Familien-Drama. Der Chor, der ganze Hof von Mantova, immerfort wie festgeklebt und passiv beobachtend, dazwischen der lebenslustige und oberflächliche Duca als Frauenheld. Ideal besetzt und kaltblütig unangenehm das Geschwisterpaar Sparafucile/Maddalena (Andrea Mastroni/Alisa Kolosova). Die Kostüme sind einem eher tristen und farblosen Alltag entlehnt und alles andere als höfisch. Ein Drama, dass sich überall abspielen kann und nicht an soziale Strukturen gebunden ist.
Mit Daniele Callegari stand eigentlich ein – vor allem im italienischen Repertoire – sehr erfahrener Dirigent am Pult, dennoch klang der 1. Akt etwas weichgespült und wollte nicht wirklich in Fahrt kommen (vor allem der „Zitti, Zitti“ Chor bei der Entführung Gildas klang sehr uninspiriert). Nach der Pause nahm er dann aber gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsorchester etwas Tempo auf und endlich im 3. Akt klang es auch zupackender und weniger dahinplätschernd.
Im Vergleich zum darstellerisch und sängerisch sehr überzeugenden Markus Brück (Rigoletto) konnte Saimir Pirgu als Duca nicht wirklich glänzen, obwohl er natürlich die beiden „Gassenhauer“ des Abends zu singen hat. Selbst seine Kanzone „La donna è mobile“ hatte keine grosse Strahlkraft und klang eher nach schlechter Laune als nach „Lebemann“. Auch darstellerisch blieb er im Vergleich zu den Kollegen eher eine blasse Erscheinung. Anders hingegen Rosa Feola (Gilda), Alisa Kolosova (Magdalena/Giovanna) und Markus Brück, das lag sicherlich auch an der reduzierten Bewegungsregie von Schilling, konzentrieren sich doch viele – vor allem intime – Momente auf die quadratische Spielfläche über dem Souffleurkasten direkt am Orchestergraben.
Die Inszenierung erinnert stark an Brechts episches Theater (hier stimme ich voll und ganz meiner Begleitung an diesem Abend zu) und ist aufgrund Schillings Biografie eine konsequente Umsetzung seiner konzeptionellen Arbeit – es wird klar, wofür er steht: es wird vieles gesanglich deklamiert, immer klar, deutlich, textverständlich – das ist ja häufig nicht die Regel und macht Freude. Als Zuschauer ist man nah am Sängerdarsteller, weniger in der Sogwirkung einer Handlung, das ist heutzutage ungewohnt, aber wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, hat das durchaus seine Qualität. Kein Wunder hält die Bayerische Staatsoper an dieser Inszenierung fest.
2 Kommentare