BRAVI BRAVI BRAVI – Als letzte Opernpremiere der Saison noch ein grossartiges Finale an der Oper Zürich: CALIXTO BIEITO inszeniert Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ – eine wunderbare und äusserst gelungene Inszenierung mit einer sensationellen Besetzung…
Es hätte sehr verwundert, wenn Calixto Bieito aus diesem Stoff nichts spannendes gemacht hätte – es geht um Gewalt, Intrigen, Sex – alles Themen, die Bieito schon mehrfach und immer äusserst überzeugend auf die Bühne gebracht hat, alleine hier in Zürich hat er bereits mit Zimmermanns „Die Soldaten“ und Prokofiews „Der feurige Engel“ die Messlatte sehr hoch gesteckt. Und nun sehen wir also den steilen Aufstieg von Poppea bis an die Spitze der Macht, als Gattin von Nero. Sex sells… – das ist das grosse Motto des Abends und mit Reizen und nackten Oberkörpern der Männer wird nicht gegeizt. Bieito zeigt immer, was es zu zeigen gibt und scheut sich auch nicht davor, äusserste Brutalität, Vergewaltigung, Blut und Mord unverblümt und drastisch auf der Bühne zu zeigen und, wie sollte es heutzutage auch anders sein, jede Handlung, jede Figur wird dokumentiert und sofort live und für alle Zuschauer sichtbar ins Netz gestellt. It’s selfie-time! Es gibt nichts Privates mehr und so macht die tolle und sehr ästhetische Ausstattung von REBECCA RINGST Sinn, denn neben der permanenten Liveübertragung auf der grossen Operafolie der Hinterbühne, läuft sämtliches Geschehen auch auf vielen kleinen und grossen Videowalls über alle Etagen der Proszeniumslogen und das Publikum ist wie bei einem römischen Tribunal nicht nur im Auditorium, sondern auch auf der Bühne als Voyeur anwesend. An dieser Stelle sei auch das wunderbare Lichtkonzept von FRANCK EVIN erwähnt („Gold“ für Drusilla…). Die vielen Live-Close-Ups und eingeblendeten Videosequenzen von SARAH DERENDINGER schaffen eine intensive und manchmal fast schon unerträgliche Nähe zu den einzelnen Protagonisten. Man ist manchmal abgestossen und fasziniert zugleich vom Handlungsverlauf. Das liegt natürlich auch an der ganz hervorragenden Besetzung des Abends. Allen voran die unglaublich präsente JULIE FUCHS als Poppea, deren (private) Schwangerschaft aufgenommen und bespielt wird und den Wunsch von Poppea an die Spitze zu kommen umso stärker verdeutlicht (hier sei auch nochmals erwähnt, was für eine Unmöglichkeit es von der Hamburger Oper ist, Julie Fuchs Rollendebüt als Pamina aufgrund der Schwangerschaft abzusagen – shame on you Hamburg!!!). Zusammen mit dem Countertenor DAVID HANSEN (Sexappeal pur) als Nerone und ihrer Gegenspielerin STÉPHANIE D’OUSTRAC als Ottavia (wunderbar ihr „A Dio Roma“ im 3. Akt) erlebt man grossartige und intensive Begegnungen. Die Drusilla von DEANNA BREIWICK (als blonde Sexgöttin und Marilyn Monroe-Verschnitt) ist ebenso überzeugend, wie der androgyn angelegte Ottone von DELPHINE GALOU oder der intellektuelle Seneca von NAHUEL DI PIERRO. Bieito hat jeder – noch so kleinen Figur – ein interessantes Profil gegeben, verstärkt durch das dezente Kostümbild von INGO KRÜGLER. Am Pult im Inneren des Catwalks steht OTTAVIO DANTONE – eigentlich ein ausgewiesener Spezialist für italienische Barockmusik – zusammen mit dem Barockorchester LA SCINTILLA und hat manchmal musikalisch keine Chance gegen die Übermacht der Bilder in dieser Inszenierung, stellenweise plätschert die Musik aus dem Graben dahin, als wäre sie nur für „nebenbei“ gedacht, das ist sehr schade, denn „L’incoronazione di Poppea“ bietet herrlichste Barockmusik und wundervolle Nummern, einzig bei einigen wenigen Szenen packt auch die Musik und fesselt und ist nicht nur Untermalung des Abends und Sängerbegleitung – spannender Moment und in Erinnerung bleibt jedoch der Tod Senecas oder der Abschied Ottavias sowie das letzte Duett von Poppea und Nerone. Das Dreigestirn des Prologs, die allegorischen Figuren von FLORIE VALIQUETTE (Fortuna), HAMIDA KRISTOFFERSEN (La Virtù) und JAKE ARDITTI (Amore) sind omnipräsent und wachen die ganzen 3 Stunden und 20 Minuten des Premierenabends auf der Bühne über den Handlungsverlauf, bis alles seinen Lauf genommen hat und beim grossen Finale schwarze und weisse Engel den Laufsteg des Lebens bevölkern und Poppea ihr Ziel erreicht hat: ebenbürtig neben Nero schreitet sie durch die Stille die grosse Showtreppe hinunter und dem tosenden Schlussapplaus entgegen. Was für eine tolle Vorstellung zum Saisonende… Bravi a tutti!!!
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