Sonic Matter Festival: Valade/Dolberg: Ligeti/Ben-Shabetai/Fallah/Fedele – Tonhalle Zürich 01.12.2023

Auch in diesem Jahr bietet das „SONIC MATTER – Festival für experimentelle Musik Zürich“ sehr interessante Konzerte – das Motto dieser Ausgabe lautet LEAP. Die Welt ist in Aufruhr – Armut, Krieg, Pandemie, Klimawandel. In diesem Jahr nimmt das Festival deshalb Bewältigungsstrategien in den Blick. Wie kann die Vernetzung der Welt genutzt werden als Chance, das Andersartige kennenzulernen? Welche neuen Horizonte eröffnet ein Wechsel der Perspektive? Man muss neugierig bleiben und offen für neue und zeitgenössische Musik, denn es gibt wirklich Spannendes zu Hören am Konzert SPUREN in der Tonhalle Zürich….

Das schöne an neuer Musik ist die Tatsache, dass es so gut wie keine Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Interpretationen oder Aufnahmen gibt, denn in der Regel hört man diese Werke im Konzert eher selten, manchmal auch nie mehr. Und man sieht Instrumente, die man sonst nie sieht und hört, in der Regel beim Schlagwerk, so zum Beispiel in Ben-Shabetais Klavierkonzert eine grosse Holzbox, die mit einem überdimensionalen riesigen Gummi-Hammer bearbeitet wird und scheppernd den ganzen Saal ausfüllt. „Lontano“ vielen wohl bekannt aus Stanley Kubriks „Shining“ (oh, die grosse Kubrik-Woche: in der Tonhalle gab es letzte Woche „Also sprach Zarathustra“…) kann man mittlerweile schon als Klassiker der zeitgenössischen Orchestermusik bezeichnen, ein spannungsgeladener Einstieg in das Konzert, direkt gefolgt entlädt sich diese Spannung dann in Ari Ben-Shabethais Klavierkonzert durch eben diese wuchtigen, das Podium und den ganzen Saal erschütternde Hammerschläge. Bravo für den Solisten des Klavierkonzerts: AMIT DOLBERG!!!

György Ligeti: „Lontano“ für grosses Orchester (1967) – Ari Ben-Shabetai: Klavierkonzert (1995/Schweizer Erstaufführung) – Farzia Fallah: „Traces of a Burning Mass“ (2022/Schweizer Erstaufführung) – Ivan Fedele: „Due letture del tempo“ (2022)

Das Konzert wird ohne Pause gespielt, ein Stück folgt auf das nächste, nach dem Klavierkonzert dann „Traces of a Burning Mass“ der iranischen Komponistin Farzia Fallah, welches diesem Abend auch den Namen gibt: „Spuren“. Es entstand während der jüngsten Unruhen in ihrer Heimat – ein musikalisches Spannungsfeld zwischen Scheitern und Hoffnung, viele Sequenzen wirken bedrohlich, ab und zu klingt dann aber doch ein wenig Licht durch diese eher düster angelegte Musik. Insgesamt – also hätte man es bei der Programmierung geahnt – passt die Stückauswahl hervorragend zum grauen, ja fast schon depressiven Novemberwetter. Da ist man fast dankbar für die flotten Tempi zum Schluss des Konzerts in Fedeles „Due letture del tempo“, treibende Musik die sich wie ein rasender Puls vorwärtsbewegt. Das Publikum im sehr mässig verkauften grossen Saal honoriert diese interessanten und absolut hörenswerten Werke mit lange anhaltendem Applaus für PIERRE-ANDRÉ VALADE am Pult des Tonhalle Orchesters sowie den anwesenden Komponist:innen FARZIA FALLAH und ARI BEN-SHABETAI.

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