Verdi-Gala – 22.09.2020 Oper Zürich

Der Start in die neue Saison 2020/2021 ist der Oper Zürich geglückt, zunächst mit einem wohl fulminanten „Boris Godunow“ und nun noch mit einer Verdi-Gala anstelle der bereits Ende letzter Spielzeit abgesagten Neuproduktion von „I vespri siciliani“…

Natürlich ist klar: man wollte die Verträge der Künstler coronabedingt nicht auflösen und hat aus der Not eine Tugend gemacht und so bestreitet ein Grossteil des „Vespri“-Ensembles das Programm dieser Gala: MARIA AGRESTA, BRYAN HYMEL, QUINN KELSEY, ALEXANDER VINOGRADOV und ILDO SONG, am Pult stand GMD FABIO LUISI. Alleine der finalen Nummer wegen, dem herrlichen Terzett aus „Il Trovatore“ (Manrico/Luna/Leonara – 1. Akt/2. Szene) lohnt sich jedoch der Besuch dieser Veranstaltung. Und so ging meine persönliche Corona-Spielzeit 2019/2020 im Juni mit der „Operettengala mit Nylund/Beczala“ zu Ende und ich bin mit einer Verdi-Gala in die neue Saison gestartet. Seltsam ist es dann schon, wenn die Oper Zürich als eines der wenigen Häuser fast den kompletten Saal verkauft (900 statt der 1100 Plätze), während an anderen Häusern im In- und Ausland weitaus weniger Kapazität angeboten und die Sitze nur im Schachbrett verkauft werden (dürfen) – ganz wohl fühlt man sich dabei dann nicht, auch wenn man während der kompletten Vorstellungs-Dauer von Schutzmasken jeglicher Form und Farbe umringt ist. Anders als bei den Opernvorstellungen, in denen Chor und Orchester live von einer Aussenspielstätte übertragen werden und nur die Sänger auf der Bühne stehen, spielte die PHILHARMONIA ZÜRICH die Gala live im Konzertsetting und mit grossszügigem Abstand – das Orchester also besser geschützt, als die Zuschauer….

Nach einem eher spröden, teils energielosen ersten Teil, bei dem man immer das Gefühl hatte, die Sänger müssten sich nun endlich einmal frei singen, überzeugte der kürzere zweite Teil nach der Pause vollends. Grossartig das Duett „M’ardon le tempia“ aus „Simon Boccanegra“ (3. Akt) mit Quinn Kelsey (Simon) und Alexander Vinogradov (Fiesco). Sehr gespannt war ich auf das Zürich-Debüt des Tenors Bryan Hymel, mehr überzeugt hat mich jedoch bei all seinen Auftritten der Bass Alexander Vinogradov, mit seiner Arie des Procida (aus „I vespri siciliani“) gleich zu Beginn des Abends machte er grosse Lust auf mehr. Hymel hat zwar eine sehr schöne Stimme (teils etwas gepresst, aber wohlklingend und sicher in der Höhe!), leider aber auch typisches Tenorgehabe und die passend pavarottieske Figur und wirkte bei seinem schnell auf das Podium stürmenden Auftritt für Manricos „Di quella pira l’orrendo foco“ dementsprechend atemlos und fast schon lächerlich. Anyway – dem Publikum war das egal, das ist vielleicht auch dem Umstand geschuldet, dass man als Opernfan froh ist, überhaupt wieder Live-Veranstaltungen besuchen zu können. Maria Agresta blieb insgesamt etwas blass an diesem Abend – etwas verwunderlich, hat sie in Zürich doch als Desdemona und Norma sehr überzeugt. Einzig im finalen Terzett war ihre kraftvolle Stimmgewalt zu spüren.

Fazit: „I vespri siciliani“ in der sicherlich grossartigen Regie von Calixto Bieito wäre mir natürlich lieber gewesen, aber in diesen Zeiten muss man eben nehmen, was es hat – ein Abend mit viel Italianità ist da nicht die schlechteste Alternative…

Zuletzt gesehen:

„7 Deaths of Maria Callas“ (livestream) – Bayerische Staatsoper München 05.09.2020

„Operettengala Camilla Nylund & Piotr Beczala“ – Oper Zürich 12.07.2020

„Iphigénie en Tauride“ – Oper Zürich 16.02.2020

„Wozzeck“ – Oper Zürich 09.02.2020

„Salome“ – Luzerner Theater 17.01.2020

„Martha oder der Markt zu Richmond“ – Oper Frankfurt 31.12.2019

„Belshazzar“ – Oper Zürich 17.11.2019

„Cosi fan tutte“ – Oper Zürich 8.11.2019

„Die Sache Makropulos“ – Oper Zürich 6.10.2019

4 Kommentare

  1. Schlatz

    Interessant, wie unterschiedlich die Opernhäuser durch die Krise steuern. 900 statt 1100 ist schon eine Hausnummer. Hier in Berlin ist es eher strikt, z. T. auch übervorsichtig wie in der Philharmonie, allerdings sind die Opernvorstellungen, die gespielt werden, auch selbst bei deutlich reduziertem Kontingent selten ausverkauft. Die Verdi-Galas an der Deutschen Oper z.B. waren schwach besucht. Ich finde es gut, wenn europaweit unterschiedliche Erfahrungen gemacht werden, dann kann man sich ansehen, was wo funktioniert. War übrigens im August 2 Wochen in der Schweiz und bin Zug gefahren und war alles picobello in punkto Masken etc.

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    1. arcimboldis_world

      Ich finde das auch interessant. Hier in Zürich wird es von Tonhalle, Schauspielhaus etc. so gehandhabt, dass die Tickets alle im Schachbrett verkauft werden, d.h .man hat immer einen freien Platz vor, hinter und neben sich. Das gibt mir persönlich ein gutes Gefühl. Ich habe mich in der Verdi-Gala total umentspannt gefühlt und bin wirklich am überlegen, ob ich in nächster Zeit Vorstellungen besuche…. bin demnächst in Basel zu „Saint Francois d’assisi“ und nächste zu Woche in Lausanne zu einem Ballett – bin mal gespannt, wie sich das an anderen Häusern so anfühlt. Seltsame Zeit, nicht wahr? Bringt irgendwie die ganze Welt ins wanken (also meine schon irgendwie…). Herzlichen Gruss nach Berlin aus Zürich!!!!! A.
      Hast Du was gesehen und der Schweiz? Wobei August waren wohl alle Häuser noch in der Sommerpause….

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      1. Schlatz

        Ich war nur zum Urlaub in der Schweiz, weniger kulturell, obwohl wir auf der Rückfahrt noch in Winterthur Museum und Stadt angeschaut haben. Im Urlaub freue ich mich sogar auf die Opern- und Konzert-freie Zeit. Wir waren im Wallis, Mattertal, schön separiert in der Ferienwohnung, bei sehr schönem Wetter jeden Tag berggewandert bzw -gestiegen, täglicher Blick auf Dufourspitze und Dom, das hat schon was.

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