ENDLICH – Gott ist da. Paavo Järvi hat die Führung des herrenlosen Tonhalle-Orchesters Zürich übernommen und endlich wieder Qualität in die Bude gebracht. Nachdem das Publikum also nach dem glücklos gescheiterten Lionel Bringuier eine ganze Durststrecken-Saison hinter sich gebracht hat, kann man wieder auf grosse Kunst hoffen und es gibt Licht am Ende des Konzert-Tunnels in der Tonhalle MAAG im Kreis 5…
So klingt es zumindest, wenn man die Presse der letzten Tage in Zürich verfolgt. Der „Neue“ wird in den Himmel gelobt mit allerlei Adjektiven und Attributen versehen und Ilona Schmiel für diesen Coup geadelt. Als wäre in den Jahren davor nur unglaublicher Mist zu hören gewesen. In Zeiten, in denen die Presse mit Themen wie Fakenews und tendenziöser Berichterstattung zu kämpfen hat, schlagen sich alle auf eine Seite – auf die Seite des Gottes Paavo. Hm. Das irritiert mich. Viel Vergnügen wünscht man ihm schon jetzt, denn diese unglaublich grossen Mengen an Vorschuss-Lorbeeren muss er dann wohl auch erst mal verdauen. Und kontinuierlich dran bleiben. An seinen Visionen. An seinen Einspielungen. An seinen Erfolgen. Denn daran wird er dann irgendwann gemessen werden. Auch eine Barbara Frey hat 10 Jahre lang hervorragend das Schauspielhaus Zürich programmiert und wurde trotzdem ab der Halbzeit von diversen Kultur-Schreiberlingen immer wieder leicht gebasht. Aber der Zuschauer kann froh und erleichtert sein, denn auch im Schauspielhaus (und by the way auch im Neumarkt) weht ein frischer Wind, es herrscht Aufbruchstimmung und endlich kann man auch dort grosse Kunst sehen, die nicht nur die Zuschauer bedient, sondern auch endlich einmal Aufmerksamkeit fordert. Und immer mit dem grossen Label „Diversity“ versehen. Das es aber auch eine Diversität für eine Stadt und deren Kulturlandschaft im Bereich Sprechtheater braucht, wird dabei gerne übersehen, denn wo bitteschön ist nun noch der Unterschied zwischen Schauspielhaus, Neumarkt und Gessnerallee? Darüber freuen sich natürlich Bühnen wie Hechtplatz oder das Bernhard-Theater. Aber zurück zu Paavo Järvi und dem Tonhalle Orchester: Nun also ist er endlich da – nachdem er bereits seit Wochen von allen Plakatwänden Zürichs lächelt – und frohen Mutes in seine Antrittskonzerte gestartet. Die Programmatik der Saison ist vielversprechend und mit der grossen düsteren Sinfonie „Kullervo“ von Sibelius zu starten ist klar eigenwillig und medienwirksam – die ersten Kritiken haben sich erwartungsgemäss auch schon überschlagen. Das war absehbar. Denn Gott ist nun da.