Der neue Roman von Nino Haratischwili ist erneut von epischem Ausmaß, auf 750 Seiten erzählt die Autorin mehrschichtig eine spannende Geschichte, dieses mal nicht mit dem Fokus auf Georgien, sondern auf ein Kriegsverbrechen im Tschetschenien-Krieg und dessen Folgen…
Die Geschichte ist spannend, manchmal für meinen Geschmack viel zu pathetisch erzählt, auf alle Fälle gut recherchiert und bietet erneut interessante Figuren und Begebenheiten. Die ersten 150 Seiten versucht man zu ergründen, um was es denn eigentlich geht, da die Autorin zwischen verschiedenen Personen und Zeitebenen hin und her wechselt und man sich zunächst etwas orientieren und zurecht finden muss. Hat man dann mal den Faden gefunden, bleibt man dran und taucht ein, in diese fremde Welt der russischen Oligarchen. Man ist sich allerdings nie ganz sicher, wie real diese Welten sind oder ob sich die Autorin nur den allseits bekannten Russen-Mafia-Klischees (dies gilt vor allem für den General, dessen Beschreibung sehr von Plattitüden lebt) ergibt. Grundsätzlich kann man sagen, es geht um Schuld und Sühne – ein grosses Thema. Und einmal mehr um den Zerfall der Sowjetunion. Das scheinen die immer wiederkehrenden Themen der Autorin zu sein…
Alexander Orlow, ein russischer Oligarch und von allen »Der General« genannt, hat ein neues Leben in Berlin begonnen. Doch die Erinnerungen an seinen Einsatz im Ersten Tschetschenienkrieg lassen ihn nicht los. Die dunkelste ist jene an die grausamste aller Nächte, nach der von der jungen Tschetschenin Nura nichts blieb als eine große ungesühnte Schuld. Der Zeitpunkt der Abrechnung ist gekommen.
Nino Haratischwili spürt in ihrem neuen Roman den Abgründen nach, die sich zwischen den Trümmern des zerfallenden Sowjetreichs aufgetan haben. »Die Katze und der General« ist ein spannungsgeladener, psychologisch tiefenscharfer Schuld-und-Sühne-Roman über den Krieg in den Ländern und in den Köpfen, über die Sehnsucht nach Frieden und Erlösung. Wie in einem Zauberwürfel drehen sich die Schicksale der Figuren ineinander, um eine verborgene Achse aus Liebe und Schuld. Sie alle sind Teil eines tödlichen Spiels, in dem sie mit der Wucht einer klassischen Tragödie aufeinanderprallen. (Frankfurter Verlagsanstalt)
Von einigen Personen hätte man gerne mehr erfahren, fesselnd sind eher die Beschreibungen diverser Nebenhandlungen und Randpersonen, die Protagonisten bleiben leider eher oberflächlich und deren Handlungen vorhersehbar, das ist schade. Der Erzählpathos – den man an Haratischwili sehr schätzt – ist hier teilweise am Anschlag des Erträglichen, vor allem, wenn sich der General in kitschig-schnulzigen Beschreibungen von seiner Tochter verliert. Hier wird sehr auf die emotionale Tränendrüse gedrückt. Das tut dieser Geschichte keinen Abbruch, ist aber häufig etwas zu viel des Guten. Dafür punktet der Roman mit vielen kleinen Details, etwa wenn in Berlin lebende, aus dem Osten stammende Personen berichten, wie es früher in der Sowjetunion war und man förmlich spürt, wie alles Negative verblasst ist und man aufgrund frustrierender aktueller Situationen plötzlich anfängt, alles zu verklären. Zum Ende hin, zum grossen Showdown, wird es zwar spannungsreich, aber eben auch irgendwie absehbar. Die offenen Fragen und begonnenen Erzählstränge werden beantwortet und für den Leser befriedigend abgeschlossen, gleichzeitig ist man etwas enttäuscht, das nicht doch noch eine grosse und überraschende Wende eintritt. Diese Vorhersehbarkeit macht es dann auch irgendwie langweilig und beliebig. Insgesamt eine gut erzählte Geschichte, ein Pageturner, aber lange nicht so toll wie „Das achte Leben (für Brilka)“. Dazu wirkt „Die Katze und der General“ zu konstruiert und gewollt. Sind wir gespannt auf die nächste Veröffentlichung von Nino Haratischwili…
„Die Katze und der General“ von Nino Haratischwili, Frankfurter Verlagsanstalt, 2018, ISBN 9783627002541 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar auf Anfrage kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Verlag Frankfurter Verlagsanstalt sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
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