Mit einer publikumswirksamen Besetzung und einer bunten, temporeichen und epochenübergreifenden Inszenierung von Stefan Huber startete das Casinotheater Winterthur mit „Die Rache der Fledermaus“ von Johann Strauss in die neue Saison 2018/2019 und landet damit wohl punktgenau einen Verkaufsschlager…
Das liegt natürlich am spielfreudigen Ensemble und an den herrlich schmissigen Arrangements, die nur selten die heutzutage angestaubt und oldfashioned wirkende Walzerseligkeit aufkommen lässt. Die viel besprochene Renaissance der Operette dümpelt seit Jahren mehr oder weniger dahin, ab und zu kann man irgendwo eine Wiederentdeckung oder einen pseudo-aufgepeppten Operettenklassiker finden, wirklich Mühe mit einer Wiederbelebung macht sich fast kein Haus. Mit dem Meisterwerk der goldenen Operetten-Ära von Johann Strauss geht man natürlich auch kein grosses Risiko ein, die weltbekannten Melodien trällert jedes einigermassen musikinteressierte Kind. Die beiden „Pfisters“ CHRISTOPH MARTI (als Rosalinde) und TOBIAS BONN (als Gabriel von Eisenstein) waren zusätzlich die richtige Besetzungs-Entscheidung für dieses Konzept, sind sie im Genre mittlerweile zu Hause und haben bereits mehrfach bewiesen, dass sie auch grosse Häuser als Operetten-Buffo-Pärchen füllen. Hier merkt man von Anbeginn, wie sehr sich Regieteam und Darsteller kennen und aufeinander verlassen können, auch wenn der Manierismus von Christoph Marti immer der gleiche ist, egal in welchem Fummel er auf der Bühne steht, das trägt den Abend, ist aber dauerhaft auch irgendwie langweilig und vorhersehbar – für diese Produktion zur Saisoneröffnung aber sicherlich der Garant für ausverkaufte Vorstellungen und tobendes Publikum. Das Pärchen Eisenstein nimmt von Anbeginn die Zügel und das Zepter in die Hand. Tobias Bonn als charmanter und verschmitzter Galan alter Schule Gabriel von Eisenstein ist für mich eine Idealbesetzung für diese Rolle. Den beiden zur Seite steht eine grossenteils wunderbare Riege an tollen Musikern und Musicaldarstellern sowie der eigentliche Star des Abends STEFAN KURT als Frosch, Dr. Blind und Ballgast Ali-Bey. Hier muss man dann leider auch anerkennend sagen, dass er darstellerisch ein anderes Kaliber ist, als der Rest des Ensembles (und das Theater Basel kann sich auf ihn als Albin/Zaza in dieser Spielzeit freuen). Die Kollegen können dafür musikalisch punkten: allen voran GABRIELA RYFFEL als herrlich naive und teilweise köstlich zickige Adele mit sängerischer Sally-Bowles-Attittüde, ALEN HODZOVIC als tenorale Schlager-Klischeefigur Alfred, ROLF SOMMER – wie immer schräg und kicherig – als Gefängnisdirektor Frank, KATJA BRAUNEIS mit wunderbarem Wiener Schmäh als Ida und grossartig mit tiefrussischer Traurigkeit STEFANIE DIETRICH als Graf Orlowsky – köstlich dramatisch in ihrem grossen Couplet „Ich lade gern mir Gäste ein“ im 2. Akt. Einzig MAX GERTSCH wirkte am Premierenabend etwas lustlos und ohne Energie. Die Choreografien von DANNY COSTELLO waren passend zu den Musicalarrangements witzig und energiegeladen, für meinen Geschmack teilweise etwas überbordend, hier wäre weniger mehr gewesen, vor allem auf der relativ kleinen Bühne des Casinotheaters. Ab und zu ein ruhiger Moment zum Durchatmen hätte (auch dem Zuschauer) gut getan, so aber lief die Energie immer kurz am Anschlag. STEFAN HUBER hat den Abend im wohltuend reduzierten Setting als Bandbreite durch die Epochen und wohl auch als Hommage an dieses immer noch so beliebte Stück inszeniert und so sieht man von Belle Époque über die Fünfziger Jahre bis hin zu bunten Flowerpower–Zeiten Mobiliar und Kostüm in gewohnt hoher Qualität von HEIKE SEIDLER. Stefan Huber hat aus allen Beteiligten das Beste herausgeholt, das lag am stimmigen Regiekonzept und den wirklich famosen Arrangements, aber unbedingt an den grossartigen Musiker_Innen – allen voran die tollen Frauen der Formation ZUCCHINI SISTAZ (hier bekommt man gleich Lust auf einen Soloabend mit den 3 Damen!) und FRANCESCO CARPINO sowie dem musikalische Leiter des Abends KAI TIETJE.
Letztendlich – und das hatte ich bisher noch nie bei einer „Fledermaus“ so deutlich gesehen, geht es auch um das Thema offene Beziehungen, denn selten hat man so überdeutlich wahrgenommen, wie sehr sich Rosalinde und ihr Mann lieben und gleichzeitig froh sind, wenn der andere weg ist, um mit anderen Partnern hemmungslos flirten zu können. Wie im richtigen Leben eben…
Ein wirklich spassiger, lustvoller Abend, musikalisch auf sehr gutem Niveau – tolle Unterhaltung! Das wird ein Dauerbrenner! I am sure!
Hat dies auf live in der oper rebloggt und kommentierte:
Wo die Oper Bonn mit sehr schwerem Stoff – Der Kaiser von Atlantis – zum Beginn der Spielzeit aufwartet, zeigt sich das Casinotheater Winterthur von der immerfrohen, heiteren Seite. Lest selbst, wie Die Fledermaus dort für alle Missgeschicke einer Nacht verantwortlich gemacht wird.
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