Haruki Murakami – Die Ermordung des Commendatore

Bei Haruki Murakami ist man immer etwas hin- und her gerissen, ob man seine Romane gut finden soll oder nicht. Was aber definitiv seine Bücher ausmacht, ist die Tatsache, dass sie einen immer wieder auf eine phantastische Reise mitnehmen und man sie nicht beiseite legt bis zur letzten Seite. Das gilt auch für den neuen zweibändigen Roman „Die Ermordung des Commendatore“….

Die Bücher Murakamis fesseln den Leser und ziehen ihn sogartig in die oft abstrusen Geschichten, aber ob dieser Autor nun Nobelpreis-verdächtig ist oder nicht, kann jeder nur für sich selbst entscheiden, auf der Liste der Anwärter steht er ja immer wieder seit vielen Jahren. „Die Ermordung des Commendatore“ – in anderen Ländern in einem Band erschienen – wurde auf Deutsch, wohl aus Marketinggründen, in zwei Bänden in kurzer Folge veröffentlicht: „Band 1: „Eine Idee erscheint“ und „Band 2: Eine Metapher wandelt sich“.

Im Grunde weiss man bis zum Schluss nicht, um was denn nun eigentlich es konkret geht in diesem Roman. Aber das ist eben typisch Murakami – die ständige Vermischung von Realität und Fiktion. Das macht letztendlich auch den ganz eigenen Stil in seiner Literatur aus. Das kann – für den ein oder anderen Leser – aber auch manchmal etwas unbefriedigend sein. Akzeptiert man das, hat man viel Freude an diesem doch sehr eigenwilligen Roman. In „Die Ermordung des Commendatore“ gibt es verschiedene Geschichten und Handlungsstränge die sich mischen und den Fokus immer wieder verändern…

Ein gesichtsloser Mann – und sein Porträtist

Band 1: Allein reist der namenlose Erzähler und Maler ziellos durch Japan. Schließlich zieht er sich in ein abgelegenes Haus, das einem berühmten Künstler gehört, zurück. Eines Tages erhält er ein äußerst lukratives Angebot. Er soll das Porträt eines reichen Mannes anfertigen. Nach einigem Zögern nimmt er an, und Wataru Menshiki sitzt ihm fortan Modell. Doch der Ich-Erzähler findet nicht zu seiner alten Fertigkeit zurück. Das, was Menshiki ausmacht, kann er nicht erfassen. Wer ist dieser Mann, dessen Bildnis er keine Tiefe verleihen kann?
Durch einen Zufall entdeckt der junge Maler auf dem Dachboden ein meisterhaftes Gemälde. Es trägt den Titel ›Die Ermordung des Commendatore‹. Er ist wie besessen von dem Bild, mit dessen Auffinden zunehmend merkwürdige Dinge um ihn herum geschehen, so als würde sich eine andere Welt öffnen. Mit wem könnte er darüber reden? Da ist keiner außer Menshiki, den er kennt. Soll er sich ihm wirklich anvertrauen? Als er es tut, erkennt der Ich-Erzähler, dass Menshiki einen ungeahnten Einfluss auf sein Leben hat.

Band 2: Mit dem Porträt der 13-jährigen Marie wächst allmählich das Selbstvertrauen des jungen Malers in seinen eigenen Stil. Die wiedergewonnene Sicherheit hilft ihm, das Ende seiner Ehe zu verarbeiten. Während der Sitzungen freunden sich das Mädchen und der Maler an. Er ist beeindruckt und erschrocken zugleich von Maries Klugheit und Scharfsinn. Mit ihr kehrt die Erinnerung an seine kleine Schwester zurück, deren Tod er nie überwunden und nach der er in jeder Frau gesucht hat. Auch in seiner eigenen, die, wie er erfährt, schwanger ist. Als Marie verschwindet, ist er fest davon überzeugt, dass dies im Zusammenhang mit dem Gemälde ›Die Ermordung des Commendatore‹ steht und dass nur das Gemälde und sein Maler ihm den Weg weisen können, um Marie zu finden. Ein Weg, der durch eine Luke in eine andere Welt führt.

(Dumont-Verlag)

Wie immer bei Murakami darf man auch nicht darauf hoffen, dass jede einzelne der vielen kleinen Geschichten zu Ende erzählt wird – vieles bleibt offen, viele Fragen unbeantwortet. Wie gesagt – das muss man mögen. Doch auch in diesem Roman gibt es viele kleine und liebenswerte Details und obskure Geschehnisse und Bezüge zur historisch belegten Geschichtsschreibung. Mystik kommt bereits zu Beginn auf, etwa wenn der namenlose Ich-Erzähler und Menshiki sich zum ersten Mal begegnen (Band 1, Seite 125) und Menshiki von der Uraufführung von Mozarts Oper „Don Giovanni“ in Prag berichtet – fast so, als wäre er selbst dabei gewesen.

Stellenweise zieht sich dieser Roman etwas in die Länge und man verdreht manchmal etwas die Augen, dennoch bleibt man dran – ein Pageturner eben… Wunderbar in diesem Roman sind die vielen Zitate und Querverweise aus Geschichte, Literatur, E- und U-Musik und die interessant konzipierten Personen, vor allem natürlich der für Murakami typische Ich-Erzähler und die mysteriöse Figur des Menshiki. Ist es ein Künstlerroman? Eine Spurensuche? Ein Mystery-Thriller oder womöglich eine Liebesgeschichte? Ich würde sagen, von allem ein bisschen – und das ist sicherlich einer der Kritikpunkte an diesem Roman, diese Unentschiedenheit. Es ist sicherlich nicht sein bestes Buch, Haruki Murakami ist auch (seit langem) kein Geheimtipp mehr, sondern in der breiten Leserschaft, in der Literatur-Popkultur angekommen (weswegen auch ein Nobelpreis immer unwahrscheinlicher wird). Wie auch immer –  einmal mehr macht ein Buch von Haruki Murakami auch Lust auf eine Japan-Reise. Und letztendlich muss man diesen – manchmal etwas rätselhaften – Roman einfach so nehmen, wie er ist. Ein Satz ziemlich am Ende des 2. Bandes (Seite 461)  bringt es dann auch auf den Punkt:

Wir alle leben mit Geheimnissen, die wir nicht preisgeben können.

Haruki Murakami, „Die Ermordung des Commendatore“, Band 1 „Eine Idee erscheint“, DuMont-Verlag, 2018

Haruki Murakami, „Die Ermordung des Commendatore“, Band 2 „Eine Metapher wandelt sich“, DuMont-Verlag, 2018

 

Ein Kommentar

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