Nutcracker Reloaded – Maaghalle Zürich 25.05.2018

An Tschaikovskys handlungsarmen Ballettklassiker „Der Nussknacker“ haben sich schon viele Choreografen versucht und so mancher ist kläglich gescheitert. Nun hat Schwedens Star-Choreograf Fredrik Rydman seine Neuinterpretation als buntes Crossover-Tanzspektakel auf Tournee geschickt – aber auch hier verspricht das Marketing sehr viel mehr, als die Show dann tatsächlich einzulösen vermag….

Der Abend beginnt schon ziemlich nervig mit dem Geplapper einer wahnsinnig witzig-überdrehten Comedy-Figur eines Mitarbeiters des schwedischen Kulturministeriums, der leider auch während des ganzen Stückes nicht verschwindet, sondern immer gerade dann auftaucht und nervt, wenn das Stück endlich mal an Tempo gewinnen könnte. Stattdessen langweilige, witzig verpackte Erklärungen im RTL-Humor-Modus, damit auch die hinterletzte Reihe der vollbesuchten MAAG noch versteht, um was es in diesem Handlungsballett denn eigentlich geht. Dabei ist die „Neuinterpretation“ einfach erzählt: armes Bettler-Mädchen Clara (Ellen Lindblad) verliert im Schneesturm die Eltern, haust mit anderen Junkies auf einer Müllkippe, lernt den Nussknacker (Marcus Nyström) kennen, besteht Abenteuer, reist um die Welt, findet die Eltern wieder und die Liebe. Ende. Der böse böse böse blutsaugende Vampir-Onkel Drosselmeyer (ganz schön moppelig:  Johan Forsberg) funkt immer wieder dazwischen. Musikalisch und tänzerisch wird einiges aufgefahren und geboten, von Samples einer klassischer Nussknacker-Aufnahme, über R’n’B-Boygroup-Nummern (herrlich: „Crackin my Nuts“ von Danny Saucedo) bis hin zu Songs von Anna Ternheim, einer ganz wunderbaren grossen ironischen Musical-Showeinlage und natürlich dem „Sugarplum Fairy House“ Finale mit blickdichten Herrenstrumpfhosen, Bolerojäckchen und Tutus zu House-Beats-Samples der Zuckerfee-Musik von Albin Myers.

An den grossen Erfolg von Rydmans geglückter Produktion „Swanlake Reloaded“ kann dieses Stück keinesfalls anknüpfen, alles wirkt etwas bemüht zeitgeistig und neuinterpretiert und gewisse Stilmittel (z.B. die 3D-Projektion) werden überstrapaziert und nach einer Stunde wirken diese nur noch beliebig und zu einigen Nummern ist dem Choreografen auch gar nichts eingefallen – am langweiligsten war wohl der Blumenwalzer – huh…. Für eine Tanzshow mit Streetdance-Elementen sind die Moves (aber auch die klassisch angehauchten Choreographien) ziemlich unspektaktulär, vom gross angekündigten russischen Breakdance-Star Bruce Almighty (u.a. als Mario Bross) hätte man etwas mehr erwarten dürfen, als diese paar wenigen Headspins als Marshmallowman. Aber es gibt dennoch einige sehr schöne Momente in dieser Show: der Albtraum-Zoom ins Bett gleich zu Beginn des Stückes, Super Mario’s grosses Solo auf der Müllkippe und der Marsch im ersten Teil, die weissen Plastiktüten-Schneeflocken, der Nussknacker bei seinen „Etudes“ an der Stange oder kurz vor dem Schluss eine etwas längere Slow-Motion-Sequenz, in der die Geschichte – quasi im Schnelldurchlauf – noch pantomimisch zu Ende erzählt wird, bevor es dann wieder zum eher langweiligen grossen weissen Finale übergeht.

Rückblickend und mit etwas Abstand muss man dann doch sagen, dass ohne den nervigen RTL-humorigen Erzähler (Kalle Westerdahl) der Abend (noch) langweiliger gewesen wäre. Die Mehrzahl der Zuschauer applaudierten begeistert – für Standing Ovations hat es aber bei Weitem nicht gereicht und das, wo es heutzutage fast schon obligatorisch ist, dass man zur Applausordnung aufsteht…

 

 

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