Tristan und Isolde – Bayreuther Festspiele 26.08.2024

Der beste Zeitpunkt für den Besuch der Bayreuther Festspiele sind die letzten Vorstellungen. Die Stadt ist dann nicht mehr so voll und man hat das Gefühl am grünen Hügel sind überwiegend Freaks und alteingesessene Wagnerianer aus der ganzen Welt. Bis auf ein paar kleine Veränderunen in den letzten Jahren, Jahrzehnten, ist hier die Zeit stehen geblieben und man hat hier immer das Gefühl einer Zeitreise. Ich bin in diesem Jahr zu den letzten beiden Vorstellungen hier und starte meinen Festivalbesuch mit „Tristan und Isolde“, der diesjährigen Neuproduktion in der Regie von THORLEIFUR ÖRN ARNASSON und SEMYON BYCHKOV am Pult…

ANDREAS SCHAGER höre ich erstmals als Tristan, CAMILLA NYLUND hat mir bei ihrem Rollendebüt als Isolde an der Oper Zürich 2022 bereits sehr gut gefallen, nach den Brünnhilden im neuen Zürcher Ring klingt ihre Stimme nun sehr viel gereifter und voller – eine sehr gute Entwicklung. An der Textverständlichkeit (vor allem im 1. Aufzug) müsste sie allerdings noch etwas arbeiten. Die Ästhetik der Ausstattung von VYTAUTAS NARBUTAS gefällt mir bereits im ersten Aufzug. Sämtliche Figuren wirken verloren und für sich (im arrangierten Schlussbild dann erneut). Isolde liegt im überdimensionierten Brautkleid, das sie wohl schon für die Hochzeit mit Marke trägt, schreibt all ihre Befindlichkeiten auf dieses Kleid, beschmutzt es dadurch, rebelliert gegen diese Zwangsheirat. Bester Moment der ganzen Inszenierung: Tristan und Isolde liegen erschöpft, im Liebestaumel auf dem Kleid, ermattet, glücklich. Der Liebestrank war gar nicht nötig, ein Blick – und sie fallen in Trance. Das ist grossartig und einer der wenigen wirklich guten Momente in dieser eher undurchschaubaren Regie-Arbeit. Mysteriös kommt der 2. Aufzug daher, wie in einem Kabinett, wie in einem Museumsarchiv sieht es in diesem Schiffsrumpf aus, in dem Isolde und Tristan im Liebestaumel versinken sollten. Doch das Gefühl stellt sich nicht ein. Zu viel Altlasten, keine Chance für einen Neubeginn. Das sind – für mich jedenfalls – keine passenden Bilder zu diesem chromatischen Gesang. Dennoch nicht uninteressant. Überhaupt passiert in dieser Inszenierung relativ wenig, es wird gestanden und gekniet und an der Rampe gesungen. Das ist ziemlich langweilig und tröge. Tristan kippt sich zum Ende des 2. Aufzugs doch noch den Todestrank (der hier in Bayreuth nicht mit dem Liebestrank vertauscht wurde!), damit er im 3. Aufzug dahinsiechen kann, Isolde nimmt einen Schluck zum Stückende, bevor sie ihren „Liebestod“ zum Besten gibt, erneut mit dem weissen Kleid, dass wir schon vom Beginn kennen. Beide Figuren sind zugemüllt mit Erinnerungen ihrer Vorgeschichte und kommen deshalb wohl nicht zueinander. Oder so ähnlich. Ganz erschliesst sich das nicht. Das Bühnenbild gefällt mir sehr, ist schön geleuchtet, die Kostüme sind nichtssagend und könnten aus dem Fundus diverser Tristan-Inszenierungen stammen – ich frage mich, wieso König Marke immer lange dunkle Mäntel mit ausgestelltem Kragen tragen muss.

Die besten Momente hat Andreas Schager als Tristan für mich immer dann, wenn er alleine singt. Der dritte Aufzug ist wunderbar, kraftvoll und frisch – auch wenn mir persönlich ein erschöpfter, ermatteter müder Tristan glaubwürdiger erscheint in diesem Moment (ich habe hier immer noch Siegfried Jerusalem im Heiner Müller – Tristan im Ohr, auch wenn er im letzten Jahr schon ziemlich abgesungen klang, aber das hat für mich genau so gepasst). Auch aus dem Graben präsentiert sich dieser Abend für mich eher analytisch und nüchtern, ab und zu weht ein Hauch von Liebesschmerz durch den Saal, das war es dann auch. Selten einen so unemotionalen, fast schon aalglatten Tristan gehört. Für SEMYON BYCHKOV gab es dann auch einige Buhrufe beim Schlussapplaus. GÜNTHER GROISSBÖCK als König Marke habe ich andernorts schon viel präsenter erlebt, er konnte mich in dieser Vorstellung nicht wirklich überzeugen, wirklich grossartig dafür und mein absoluter Favorit der Vorstellung: OLAFUR SIGURDARSON als Kurwenal (wunderbar textverständlich!). Ebenso mit hinreissender Stimme: CHRISTA MAYER als Brangäne und LAWSON ANDERSON als Steuermann. Zudem im Ensemble: BIRGER RADDE als Melot, DANIEL JENZ als Hirt und MATTHEW NEWLIN als junger Seemann. Viele schöne Gesangsmomente, aber das Fazit nach diesem Abend – kein grosser Wurf für die Bayreuther Festspiele 2024.

Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:

512: Siegfried – Bühnen Bern 18.06.2024

511: I vespri siciliani – Oper Zürich 13.06.2024

510: L’Orfeo – Oper Zürich 06.06.2024

509: Wilhelm Tell – Theater St. Gallen 25.05.2024

508: El Niño – Metropolitan Opera New York 08.05.2024

507Saint François d‘Assise – Grand Théâtre de Genève 14.04.2024

506: La Bohème – Luzerner Theater 03.04.2024

505: Die Csárdásfürstin – Oper Zürich 01.04.2024

504: Amerika – Oper Zürich 09.03.2024

503: Ernani – Theater St. Gallen 03.03.2024

14 Kommentare

    1. arcimboldis_world

      Hello Hello – ja, eigentlich schon immer. Ich stamme ja ursprünglich selbst aus der Region, also nicht ganz Bayreuth, eher Nürnberger Gegend, bin nur noch selten in der Gegend, ausser eben im Sommer zur Festspielzeit. Ich bin schon sehr lange weg, erst viele Jahre im Norden Deutschlands und nun schon bald 18 Jahre in der Schweiz lebend….. herzlichst aus Zürich, A.

      Like

Hinterlasse eine Antwort zu lisaskuchentraum Antwort abbrechen