Jon Fosse – Ein Leuchten.

Ein neuer Text von Jon Fosse. Literatur-Nobelpreisträger 2023. „Ein Leuchten“ ist sehr speziell, aber auch sehr schön. Ein schmales Bändchen mit nur 80 Seiten. Ungewöhnlich…

Der Text ist auf den ersten Blick unaufgeregt, liest sich eher wie ein nicht enden wollender Gedanke des Mannes, der seine wechselnde Umgebung, seine Gefühle beschreibt und doch ist es viel mehr. Eigentlich passiert alles auf verschiedenen Ebenen, in verschiedenen Sphären, man fragt sich, was ist Symbolik, was ist real?

Ein Mann setzt sich ins Auto und beginnt zu fahren, ohne zu wissen, wohin er will. Er biegt mal rechts, mal links ab und bleibt schließlich am Ende eines Waldweges stecken. Es dämmert und beginnt zu schneien, doch anstatt umzukehren und Hilfe zu holen, wagt sich der Mann törichterweise in den dunklen Wald hinein. Tiefer und tiefer dringt er vor in die Dunkelheit, bis er sich unweigerlich verirrt. Er ist müde und friert, als ihm tief in der Finsternis des Waldes ein leuchtendes Wesen begegnet. (Rowohlt Verlag)

Ist es die Beschreibung eines Lebens nach dem Tod? Ist es eine Nahtod-Erfahrung des Autors? Steht das Licht für Übersinnliches? Man weiss es nicht. Man erfährt es nicht. Man kann nur deuten oder es einfach so stehen lassen. Das hat für mich etwas sehr Unbefriedigendes. Und doch gefällt mir diese Schlichtheit, dieser Gedankenstrom, dieser teils sehr repetitive Fluss von Wörtern und langen Sätzen. „Ein Leuchten“ ist ein Winterbuch, es erzeugt Kälte, Einsamkeit und ein tiefes Gefühl der Verlassenheit. Was bleibt sind offene Fragen, aber auch diese Schönheit des sehr schlichten Textes.

„Ein Leuchten“ von Jon Fosse, 2023, Rowohlt Verlag, ISBN: 978-3-498-00399-9 (Werbung)

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