In den Wochen vor Ostern gibt es wie jedes Jahr eine inflationär grosse Anzahl an Oratorien, Requien und Passionen in den Spielplänen der Konzerthäuser. Beim Tonhalle-Orchester Zürich gab es 3 Aufführungen von Mendelssohns „Elias“ unter der Leitung von THOMAS HENGELBROCK und seinem von ihm gegründeten BALTHASAR-NEUMANN-CHOR.
Elias ist der grösste Prophet des Judentums, da er die Ankunft des Messias ankündigen wird und so erschuf Mendelssohn mit diesem teilweise fast schon opernhaften Oratorium ein Werk mit einer immensen Bandbreite, musikalisch ist von sehr lyrischen Sequenzen (etwa bei den mehrstimmigen Verkündigungen der Engel) bis hin zu den dramatischen Chorsequenzen (unter anderem die beeindruckenden Anrufe des Baal) fast alles vertreten und genau das gibt diesem Werk diese plastische Lebendigkeit – das war auch Mendelssohns Wunsch, als er an seinen Textdichter Julius Schubring schrieb: „…in der Darstellung hätte ich’s gern so lebendig als möglich“. Während im ersten Teil ein eher kämpferischer Prophet zu vernehmen ist, vernimmt man dann im zweiten Teil die eher bittere Niederlage, am Ende seines Lebens jedoch fährt er mit feurigem Wagen dem Himmel entgegen und sein Werk wird vom nun angekündigten Messias weitergeführt werden. Bei diesem Konzert hatte ich einen Platz auf der Empore gewählt, akustisch für ein derartiges Stück eher unvorteilhaft und dennoch hat sich das als richtige Entscheidung erwiesen, denn genau dem Dirigenten Hengelbrock gegenüber war dessen Begeisterung hautnah zu spüren und vor allem auch zu sehen. Der äusserst textverständliche Cast (Chor und Solisten!) wurde so für mich nochmals verstärkt, da Hengelbrock sämtliche Partien mitsang und ich quasi den Text von seinen Lippen ablesen konnte, das war sehr speziell und spannend zugleich. Gestenreich und mit grossem, ja fast schon euphorischem, Pathos führte er die gesamte Besetzung durch die fast 2.5 Stunden dauernde Aufführung. Musikalisch lieferte das TONHALLE-ORCHESTER einen spannenden und sehr differenzierten Abend, man hatte durchaus das Gefühl, dass Dirigent und Orchester gut miteinander können. Der 1991 vom Dirigenten gegründete und für diese Aufführungen quasi mitgebracht gastierende BALTHASAR NEUMANN CHOR ist schon ein anderes Kaliber (vor allem in der Diktion und Dynamik!), als die in der Tonhalle sonst häufig zu hörende Zürcher Singakademie. Beim hervorragenden Ensemble sind besonders die Altistin WIEBKE LEHMKUHL (wunderbar differenziert in den unterschiedlichen Rollen, grausam kalt als Königin…) und der Tenor Steve Davislim sowie MICHAEL NAGY als Elias (ein wohltuend menschlich klingender Prophet) zu erwähnen und der tolle glockenhelle Knabensopran, ein Solist des Knabenchores der Chorakademie Dortmund, dessen Name leider im Programmheft nicht zu finden ist.
„Elias“ op. 70 von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), ein Oratorium nach Worten des alten Testaments für Solostimmen, gemischtem Chor, Orchester und Orgel
Michael Nagy war früher Ensemble-Mitglied an der Oper hier in Frankfurt. In dieser Zeit kam er auch einmal als Gast zu meinem Kurs „Opern-Gespräche“.
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