Am Königsweg – Schauspielhaus Zürich 13.05.2018

Auf ein neues Stück von Elfriede Jelinek ist man natürlich immer sehr gespannt, dabei weiss man eigentlich was einen erwartet: mehr oder weniger aktuelles Zeitgeschehen in Form von üppigen, teilweise monströsen, Textauswüchsen, die – je nach Regie – mehr oder wenig gebändigt werden (müssen)…

Die Bühne: Ein Fernrohr? Ein Blick durch die Linse? Von wem und worauf? Der Fokus öffnet sich und los geht es mit 2 Stunden in typischer Jelinek-Manier. Seit der Uraufführung in Hamburg läuft das Stück mittlerweile quer durch die Lande an den Sprechtheatern, sicherlich vor vollen Häusern. Das Thema lockt: Ihre persönliche Abrechnung mit Trump soll es sein (liest man), das verkauft sich heutzutage. Die Provokateurin, die Jelinek früher einmal war, ist sie allerdings längst nicht mehr. In ihrem neuen Stück „Am Königsweg“, dass in der Regie von Stefan Pucher in dieser Spielzeit am Schauspielhaus Zürich seine Schweizer Erstaufführung erlebte, collagiert Jelinek – etwas düster – alte und neue Machtstrukturen, stellt die Frage, wie es derzeit weltweit zum Erstarken rechter Tendenzen kommen kann, zitiert fleissig aus griechischer Mythologie und macht keinen Hehl aus ihrer Abneigung zu Herrn Trump und seiner persönlichen Immobilienblase. Elfriede Jelinek höchstselbst in sechsfacher Ausfertigung (tolle Kostüme und Puppen: Annabelle Witt) als blinde Seherin eröffnet den Reigen verschiedener Themenbereiche, welche die Autorin immer wieder beschäftigen, hauptsächlich dreht sich aber alles um Donald Trump, der omnipräsent ist, aber namentlich nie genannt wird, stattdessen sprechen alle vom „König“. Dies ist auch nicht nötig, denn Pucher zeigt den Aufstieg und die „Regentschaft“ von Trump als bibelhaftes Gleichnis, dass das Volk, also der demokratische Wähler, selbst verschuldet hat und die gefährlichen Seilschaften des Finanzwesens. Durch Puppenspiel entstehen Parallelwelten, Themen im Grossen und im Kleinen. In teils Comic-haften Bildern und versetzt mit amerikanischem Kulturgut (nämlich der Muppetsshow…) trägt die Inszenierung stellenweise dick auf, unterstützt durch die überlaute (aber sehr coole) Musik von Becky Lee Walters und Réka Csiszér, aber das passt ja auch irgendwie zur grellbunten Inszenierung des aktuellen amerikanischen Präsidenten nebst seiner ebenfalls überzeichneten Gattin Melania (meine Lieblingsszene: das Zombie-Horrorkabinett der amerikanischen Societyladies bei einer Vernissage). Barbara Ehnes hat hierfür einen düsteren Endzeit-Gerichtssaal gebaut in dem vieles verhandelt wird, gleichzeitig dient er als Projektsfläche für die manchmal etwas banalen Projektionen von Chris Kondek, machen aber stilistisch deutlich: das ist eine Inszenierung von Stefan Pucher. Die ausschliesslich weiblichen Rollen sind prächtig besetzt: Sandra Gerling, Henrike Johanna Jörissen, Isabelle Menke, Elisa Plüss, Mirjam Maertens und Julia Kreusch ziehen alle Register und so verstreichen die 2 Stunden Spieldauer angefüllt mit dem scheinbar nie endenden Jelinekschen Textschwall relativ schnell und teilweise höchst amüsant, grossartig archaisch und laut in den chorisch gesprochenen Passagen. Irgendwie wird man auch das Gefühl nicht los, dass dies ein sehr persönliches Stück ist, ein Abgesang von Jelinek auf sich selbst.

Am Ende des Stückes ist man – wie immer bei Frau Jelinek – vollgestopft und textgesättigt, irgendwie erleichtert, dass es vorbei ist – aber irgendwie auch dankbar für diese Texte und froh, dass man die Vorstellung besucht hat.

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