Parsifal – Oper Zürich 7.3.2018

Die Wiederaufnahme von „Parsifal“, der immer noch sehr interessanten CLAUS GUTH – Inszenierung von 2011, ist ein absolutes Muss in der Zeit vor Ostern – noch dazu mit dieser exzellenten neuen Besetzung und der grossartigen SIMONE YOUNG am Pult…Claus Guths psychologisierende Deutung dieser, ja doch relativ handlungsarmen, aber dennoch mehrere Stunden dauernden Oper zeigt mehrere interessante Aspekte. Zum einen inszeniert er Amfortas und Klingsor als ungleiches Brüderpaar (interessanter Aspekt!), die aufgrund ihrer unterschiedlichen Zuneigung des Vaters verschiedene Lebenswege einschlagen, zum anderen zeigt er die Hoffnungslosigkeit und Sinnsuche zwischen den beiden Weltkriegen und somit den Nährboden für eine aufkeimende Ära starker Diktatoren in Europa (Hitler, Franco, Mussolini, Salazar…). Da sind Kundrys Verführungskünste mit den Blumenmädchen im 2. Aufzug (ein schönes ausgelassenes Partybild im Stil der 20er Jahre), die dahinsiechende Gralsgemeinschaft (ein Lazarett verwunderter Soldaten) oder am Schluss die Präsentation Parsifals als hellstrahlende neue Führerfigur sehr starke Bilder die haften bleiben – mehr noch als bei meinem letzten Besuch dieser Produktion 2011. Das hat aber auch mit der musikalischen Leitung von SIMONE YOUNG zu tun, anders als ursprünglich Daniele Gatti (der das für meinen Geschmack damals viel zu schwülstig interpretiert hat) schafft sie es die vielen Stunden musikalisch spannend zu gestalten und diese Spannung auch zu halten. Das beginnt bereits bei der Ouvertüre, die unendlich lang gedehnt erscheint mit Generalpausen, die einen an Knappertsbusch erinnern, danach aber geht es Schritt für Schritt der finalen Gralsenthüllung entgegen. Erstaunlich wie die Partitur über so einen langen Zeitraum steigerungsfähig ist und nicht bereits im ersten Akt alles verpufft. Das ist der Dirigentin zu verdanken und ich muss sagen, ich habe lange nicht mehr so einen musikalisch tollen Parsifal erlebt. Der 2. Akt war unglaublich spannend, tolle Tempi und eine tolle bis an die Grenzen ausgelotete Dynamik. Brava! Der vor der Vorstellung als stark indisponiert angekündigte LAURI VASAR war ohne merkliche Beeinträchtigung ein überzeugender Amfortas, WENWEI ZHANG ein sehr präsenter Klingsor. NINA STEMME ist immer toll, auch hier als Kundry überwältigend darstellerisch und musikalisch – zu Recht eine der grossen Wagnersängerinnen unserer Zeit. Der Parsifal von STEFAN VINKE spaltet wohl die Zuschauermeinung. Den Reifeprozess vom reinen Toren bis zum neuen Gralshüter nimmt man ihm durchwegs und glaubhaft ab, seine Stimmfarbe und seinen S-Fehler allerdings muss man mögen, mich hat es gestört, das ist wirklich eine persönliche Geschmacksache. CHRISTOF FISCHESSER dominiert den Abend als Gurnemanz und überzeugt – wie immer – in jeder Hinsicht. Dem wird sicherlich auch Matti Salminen zustimmen, der am besuchten Vorstellungsabend in einer der Intendantenlogen sass und für mich immer DER Gurnemanz schlechthin und auch die Premierenbesetzung dieser Inszenierung 2011 war.

Man kann diese spezielle Deutung von Claus Guth mögen oder nicht – die Ästhetik des Bühnenraumes (und der Projektionen) von CHRISTIAN SCHMIDT alleine lohnt schon den Besuch. Und wie bereits erwähnt: Das Dirigat von Frau Young hat für mich eine Sogwirkung entfaltet, der ich mich auch zu vorgerückter und fast mitternächtlicher Stunde nicht entziehen konnte. Erlösung dem Erlöser!

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