Ödön von Horváths Stücke sind irgendwie immer ein wenig sperrig, in der Entstehungszeit irgendwie verankert und irgendwie auch nicht – häufig ist es schwierig irgendwie einen Zugang zu finden. Barbara Frey hat dies in Zürich im Schiffbau versucht, Ergebnis ist ein irgendwie unentschiedener, handwerklicher solider Abend, der mich als Zuschauer irgendwie unbefriedigt entlässt – was war das? Der grosse „irgendwie Horváth“-Abend…
Einmal mehr zeigt sich der Schiffbau als authentische Spielstätte von seiner besten Seite, man hat das Gefühl, direkt im Hotelfoyer des abgetakelten Hotels „Zur schönen Aussicht“ zu sitzen – die Bühnenbildnerin BETTINA MEYER hat die grosse Halle um das Dekor ergänzt, als würde es schon immer dahin gehören. Soweit, so gut. Der Beginn des Stückes dann auch noch vielversprechend, entschleunigt wird man in das sehr langsame Geschehen gezogen, lernt die einzelnen Akteure kennen. Da ist der Diener Max (irgendwie blass: EDMUND TELGENKÄMPER), der bereits auf dem Absprung ist, ein Suchender, der zum Abreagieren gerne die Küchenschwingtür malträtiert, ebenfalls zur illustren Männerrunde zählt der Chauffeur Karl (irgendwie amüsant: NICOLAS ROSAT), Mitläufer und ohne grosse eigene Ambitionen. Weiterhin taucht Adas Bruder auf -(irgendwie unentschlossen: HANS KREMER) Emanuel Freiherr von Stetten und natürlich Strasser, der Hausherr des heruntergekommenen Etablissements (irgendwie kraftlos, leer, verbraucht: MICHAEL MAERTENS). sie alle sind Sklaven und hörige Bedienstete des einzigen Gastes: Ada Freifrau von Stetten (irgendwie herrlich ätherisch und alkoholisch tänzelnd: FRIEDERIKE WAGNER) hält sie alle an der (kurzen oder langen) Leine und zeigt und sagt es klar und deutlich: Geld regiert die Welt. Komplettiert wird die Herrenriege durch den Geld fordernden Vertreter Müller (irgendwie der amüsante Teil des Abends: MARKUS SCHEUMANN). Anspruchsdenken, Wünsche und Forderungen auf allen Ebenen. Dies ändert sich (nicht), als Christine (irgendwie fehlbesetzt: CAROLIN CONRAD) die Szene betritt und sämtliche Bedürfnisse und Ordnungen durcheinander bringt; sie ist die Mutter eines Kindes, das in Zimmer 11 (welches jetzt von Ada bewohnt und zu regelmässigen Treffen mit dem Hotelier genutzt wird) vor einem Jahr gezeugt wurde – der Vater ist der Hotelbesitzer Strasser, der aber nie auf ihre Briefe geantwortet hat. Erst als klar wird, sie will mit ihrem von Gott (vielmehr dem Erbe einer reichen verstorbenen Tante aus St. Gallen) erhaltenem Geld das Hotel retten, sind auch ihr alle zugetan – doch zu spät, sie geht und lässt die Männerriege zurück, zusammen mit der geldgebenden Herrin Ada. Als letzte Tat bringt sie noch Licht ins Dunkel, sie öffnet die Jalousien, der Dreck wird noch dreckiger und sichtbarer – andere Lesart: ein neuer Tag bricht an, die Vögel zwitschern – Neubeginn. Black out. Ende. Kann man sich also als Zuschauer selbst aussuchen. Der Abend hat ein paar wirklich gute Momente, Friederike Wagner ist grossartig, Markus Scheumann ebenso, dazwischen häufiger Programmwechsel am Flachbild-Fernseher in der Lese-Ecke im Foyer, Trostlosigkeit, Furcht, Unentschlossenheit, manchmal ein klein wenig Boulevard- und Schmierentheater, alles andere als Aufbruchstimmung, aber auch keine wirkliche Resignation und Krise, vielmehr ein „vor sich hindümpeln“ – ist das Barbara Freys Sicht auf die Zeit zwischen den beiden grossen Kriegen? Soll das Stück uns etwas sagen? Für mich bleibt die Frage, was der Abend soll, ich habe es nicht verstanden.
„Zur schönen Aussicht“ von Ödön von Horváth (1901-1938)