Un ballo in maschera – Oper Zürich 17.12.2024

Die letzte Zürcher Produktion von Verdis „Un ballo in maschera“ ist noch gar nicht lange abgespielt, da gibt es schon wieder eine Neuinszenierung, diesmal von der walisischen Regisseurin ADELE THOMAS. Ich bin nicht unglücklich, denn das Werk ist eine meiner liebsten Verdi-Opern, schon dutzendfach an allen möglichen Häusern gesehen und am Pult steht Verdi-Kenner GMD GIANANDREA NOSEDA – das kann nur ein Fest werden…

Da mir die die letzte „Ballo“-Produktion von David Pountney ausnehmend gut gefallen hat, bin ich gespannt, was ich nun von Mme. Thomas zu sehen bekomme, ihre letzte Produktion in Zürich – Verdis „Il Trovatore“ – fand ich eher mittelmässig. Anyway, sie verortet die Handlung im Jahr 1880 in Boston, USA (angelehnt an die geänderte Fassung zur Uraufführung in Rom aufgrund der damaligen Zensur), das kann man machen und funktioniert auch bestens, weil insgesamt absolut schlüssig und unterhaltsam erzählt. So beginnt das Stück auf der multipel bespielten Drehbühne mit der Autopsie Riccardos, später sieht man dann etwa den Senat oder Ulricas grosse Szene als spooky Séance zur Geisterbeschwörung, Amelias nächtlicher Ausflug zu einem schrecklichen Ort findet in der Gosse mit Prostituierten statt und natürlich zuletzt der grosse finale Maskenball. Das ist eine sehr schöne und schlüssige Erzählweise in dieser ästhetisch harmonischen Ausstattung mit historischen Kostümen und aufwendigen Frisuren und Backenbärten von HANNAH CLARK. Wie bereits beim „Trovatore“ setzt Thomas auch hier Tänzer:innen ein, die das brillante Sänger:innen-Ensemble verstärken (Choreographie: EMMA WOODS) und vor allem die doch auch vorhandenen komischen, lebensfrohen Momente betonen. Allen voran der wunderbare GEORGE PETEAN mit seinem warm strömenden Bariton als Renato (der bereits in der vorhergehenden Produktion in dieser Rolle – aka Anckarström – zu sehen war). CHARLES CASTRONOVO als Riccardo wirkt sehr viel jünger als Petean, seine Stimme ist für mich zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, gefällt mir aber im Laufe des Abends immer besser, sie hat etwas geheimnisvoll Dunkles, das mir sehr gut gefällt. ERIKA GRIMALDI debütiert als Amelia und überzeugt vollends, grossartig und sehr bewegend ihre Arie im 3. Akt „Morrò, ma prima in grazia“. AGNIESZKA REHLIS hat mir bereits im „Trovatore“ als Azucena sehr gut gefallen und überzeugt mich auch hier als Ulrica mit ihren wunderbaren Tiefen, herrlich dämonisch sieht sie aus, wenn sie die dunklen Mächte anruft und das drohende Unheil prophezeit. Und absolut quirlig, spritzig, erfrischend ist KATHARINA KONRADI in der Hosenrolle des Oscar. Auch bei den weiteren Rollen erlaubt sich die Regie leichte Überspitzungen, die manchmal fast etwas von einer Karikatur haben, wie etwa der Richter von MARTIN ZYSSET oder das Verschwörer-Paar Samuel (BRENT MICHAEL SMITH) und Tom (STANISLAV VOROBYOV) sowie der Silvano von STEFFAN LLOYD OWEN. Grosser Applaus für GMD Gianandrea Noseda und die PHILHARMONIA ZÜRICH für einen hinreissend musizierten Verdi-Abend. So viele wunderbare Momente sind zu erleben – von der grossen emotionalen Dramatik im 3. Akt bis hin zum höhnischen Gelächter der Verschwörer in der nächtlichen Aufdeckung von Amelias Treffen mit Riccardo – alles ist fein säuberlich gearbeitet und nimmt das Auditorium mit auf diese Reise, dazu trägt auch der sorgfältige und diesmal präzise singende Chor bei (Einstudierung: JANKO KASTELIC) und die stellenweise bis ins kleinste Detail ausgefeilte Personenregie von Adele Thomas. Eine absolut stimmige und glaubwürdige Produktion, die sich hoffentlich noch über die Intendanz von Homoki am Haus halten wird. Damit ist mein Opernjahr 2024 fast beendet – noch eine letzte Vorstellung an Silvester steht an: Benjamin Brittens „A midsummer Night’s dream“ in Lausanne…

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15 Kommentare

  1. Nemorino

    Meine Lieblingsinszenierung von „Un ballo in machera“ ist immer noch Claus Guths Frankfurter Inszenierung, in der er Riccardo als Politiker des 21. Jahrhunderts darstellt, der sich um eine Wiederwahl bewirbt. Oscar, der Page, war Riccardos übereifrige Chefsekretärin. Ulrica, die Zigeunerin und Wahrsagerin, war eine türkische Putzfrau, die mit einem Streuer weißen Reinigungspulvers einen Kreis auf den Teppich malte, mit dem sie den Teufel anrief.

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  2. GILLES DENIZOT

    Es macht mich immer glücklich, wenn ich lese, dass Un ballo in maschera im Opernhaus aufgeführt wurde. Ich hatte dort Dutzende von Aufführungen gesungen, darunter einen Galaabend mit dem wunderbaren Piero Cappuccilli (Ankarström, wir machten auch die alternative Version). Übrigens errinnere ich mich noch, dass ich kurzfristig für eine Aufführung bei dir in St. Gallen eingesprungen wurde… Und Martin Zysset, ein wunderbarer Kollege schon vor dem Opernhaus (vor allem bei Mozarts La Finta semplice).

    Danke für deine Artikel, die mein Deutsch frisch halten!

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