Simon Boccanegra – Oper Zürich 27.09.2024

Es ist nicht unbedingt das populärste Werk Verdis, hat aber ganz wunderbar dramatische Szenen und Musiken: „Simon Boccanegra“ – jetzt ist die Wiederaufnahme von ANDREAS HOMOKIs Inszenierung von 2020 endlich live und vor grossem Publikum zu sehen, die Premiere damals war wegen der Corona Pandemie nur im Livestream möglich, alle weiteren Vorstellungen wurden abgesagt….

Es war damals Christian Gerhahers Rollendebüt als Boccanegra und so war die Vorfreude, ihn endlich live in dieser Rolle zu sehen gross, jedoch musste er kurzfristig wegen Erkrankung absagen und GEORGE PETEAN als Einspringer ist nicht die schlechteste Wahl, stimmlich sowieso und auch darstellerisch gewinnt er im Laufe der Vorstellung immer mehr Präsenz, auch wenn er aufgrund seiner Körperfülle manchmal etwas plump und tapsig daher kommt – ich weiss, body positivity und so – aber man kann das eben nicht ausblenden. Zuletzt, vor seinem Tod, wenn er gemeinsam mit seinem Gegenspieler Fiesco durch die leeren Räume irrt, dann ist das ein sehr starker Moment, beide wirken verloren und einsam, jeder in seiner eigenen Welt und doch vereint. Und auch wenn zu Beginn die ewigen drehenden hohen weissen Räume mit unzähligen Fluren und Türen, die man nun (vor allem nach dem Ring) wirklich zur Genüge gesehen hat, etwas nerven, so funktioniert das Ausstattungs-Konzept von CHRISTIAN SCHMIDT zusammen mit dem Licht von FRANCK EVIN grossartig und man spart sich längere Umbaupausen. Einzig Amelias Kostüme sind mir – nach wie vor – unverständlich, sie wirkt in jedem ihrer Kostüme, selbst zuletzt im Brautkleid, derart hausbacken und alt, dass es fast unglaubwürdig erscheint, dass sie die Tochter von Boccanegra ist. JENNIFER ROWLEY, die bereits die Premiere sang, ist eine grossartige Amelia mit wunderbaren Phrasierungen, CHRISTOF FISCHESSER ist sowieso immer ein Garant für starke Leistungen und überzeugt auch hier als Fiesco. OMER KOBILJAK debütiert als Gabriele Adorno, gefällt mir sehr gut, trotz einem kleinen Patzer – eine wunderschöne Stimme, gut geführt, kraftvoll bis zum Schluss, sehr schönes warmes Timbre. Eines der Highlights ist sicherlich das grosse Sextett zum Ende des 1. Aktes (V’e in queste mura un vil che m’ode), wenn das Saallicht langsam angeht und Simon sich direkt ans Publikum im Saal wendet: „e vo gridando: pace! e vo gridando: amor! (und ich gehe und rufe: Frieden! und ich gehe und rufe: Liebe!)“ – das ist ein wirklich ergreifender Moment und man neigt dazu, dies auf die aktuelle Weltlage zu projizieren. Besonders fällt mir in dieser Vorstellung die grossartige Energie und die wunderschöne Stimme des Bass-Baritons ANDREW MOORE als Paolo Albiani auf, der seit der Saison 2022/23 dem Ensemble der Oper Zürich angehört, ich bin begeistert! Nach der anfänglichen Enttäuschung über die Umbesetzung – denn der Grund meines Vorstellungsbesuchs war Christian Gerhaher – bin ich sehr froh, dass ich diese Wiederaufnahme sehe, „Simon Boccanegra“ ist sicherlich nicht so eingängig wie andere Werke Verdis, die dramatische Wucht vor allem im 2. und 3. Akt ist jedoch grandios und bewegt (Homokis eindringlicher Personenregie sei Dank). Das hört man an diesem Abend auch aus dem Graben, PAOLO ARRIVABENI dirigiert einen wuchtigen, dramatischen, sehr dynamischen und doch immer absolut sängerfreundlichen „Simon Boccanegra“ – mir gefällt das ausserordentlich gut, der Applaus am Schluss ist für alle absolut wohlverdient (in weiteren Rollen: BRENT MICHAEL SMITH als Pietro, MARIA STELLA MAURIZI als Magd Amelias und MAXIMILIAN LAWRIE als Hauptmann). Eine wirklich tolle Produktion mit hinreissender Besetzung – die erste besuchte Vorstellung in der neuen Saison am Zürcher Haus ein guter Start! What’s next: „Ariadne auf Naxos„.

Hier geht es zu meinen Blogpost zur Premiere vom 6.12.2020 im Corona-bedingten Livestream: SIMON BOCCANEGRA 6.12.2020

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