Jordan/Kampe: Schumann/Wagner – Tonhalle Zürich 24.01.2024

Was gibt es Schöneres, als morgens mit der grossartigen Energie des ersten Satzes von Schumanns dritter Sinfonie in den Tag zu starten? Die „Rheinische“ flashed aber auch abends als Opener eines Konzerts mit dem Tonhalle Orchester unter PHILIPPE JORDAN, gefolgt von Auszügen aus der „Götterdämmerung“ samt Brünnhildes Schlussgesang mit ANJA KAMPE…

Ein kraftvolles und energiegeladenes Konzert, dessen Schwung man für die nächsten Tage mit nach Hause nimmt. Und immer wieder erstaunlich, wie man am Altersdurchschnitt fast erahnen kann, was auf dem Programm steht: Schumann und Wagner heben den Durchschnitt gleich um 10 Jahre an (bei Mozart oder Haydn wohl gleich um 15 Jahre….). Zugegeben, ich stehe der Musik Wagners wesentlich näher als Schumanns, aber alleine wegen dem ersten und vierten Satz der „Rheinischen“ lohnt der Konzertbesuch. Immer wieder wunderbar anzuhören – diese getragene Traurigkeit im vierten Satz, die doch sehr stark an Beethoven erinnert und eben dieser energetische Boost zu Beginn. Insgesamt jedoch fühlt sich das Werk an diesem Abend etwas verwaschen an, man hätte sich etwas mehr Kontraste, Akzente, etwas mehr Biss (wie etwa in der – wie ich finde – sagenhaften Einspielung mit Leonard Bernstein…) gewünscht.

Ein kurzer gut 30-minütiger Schumann-Auftakt also, bevor dann nach der Pause Auszüge aus Wagners Götterdämmerung zu hören sind – das Tonhalle Orchester spielt fulminant, die Hörner klingen so wohltönend und präzise und hier spürt man auch endlich den Wumms, der bei Schumann etwas gefehlt hat.

Robert Schumann: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 „Rheinische“ – Richard Wagner: Auszüge aus Götterdämmerung, Dritter Tag des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“: „Siegfrieds Rheinfahrt“ (Vorspiel), „Siegfrieds Tod und Trauermarsch“ (3. Aufzug, 2. Szene), „Brünnhilde Schlussgesang“ (3. Aufzug, 3. Szene)

Anja Kampe ist eine gute Darstellerin – so habe ich sie zumindest in Erinnerung („Senta“ in „Der fliegende Holländer“ in Zürich und „Sieglinde“ im Castorf-Ring in Bayreuth, beide Vorstellungen 2013), stimmlich hat sie für mich aber leider (noch) nicht das Format (wie etwa einer Camilla Nylund) als Brünnhilde. Ihre Artikulation ist ziemlich textunverständlich und obwohl sie an der Rampe steht und nicht über das Orchester hinweg singen muss, ist sie stellenweise einfach nicht zu hören (vielleicht liegt es aber auch daran, weil der Orchesterklang über sie hinwegschwappt?) – obwohl ich extra für dieses Konzert auf meinen Lieblingsplatz verzichtet und einen Platz auf dem Mittelbalkon gewählt habe (finde ich bei Chorkonzerten und Konzerten mit Gesangsolisten akustisch eigentlich ideal!). Dafür ist der Wagner-Klang in der Tonhalle Zürich einfach umwerfend und berückend schön, bereits die ersten Takte bei „Siegfrieds Rheinfahrt“ nehmen mich sofort gefangen, diese Spannung, dieser Wohlklang hält an, bis zu den letzten verebbenden Tönen nach dem Schlussgesang Brünnhildes. Fast wünscht man sich in diesem Saal einen konzertanten Ring zu hören, sehr gerne unter Philippe Jordan, der einmal mehr beweist, dass er Wagner kann und zwar in- und auswendig, auch wenn sein körperlicher Einsatz alles andere als ein statisches Dirigat ist und man manchmal fast nicht hinschauen mag, wenn er auf seinem Podest in die Hocke geht und sich verausgabt und verrenkt. Ich mag mich noch sehr gut an sein Dirigat des Wilson-Rings 2009 in Zürich erinnern. Es ist auch viel zu lange her, dass ich ihn in der Tonhalle am Pult hatte (2013, unter anderem mit Tschaikowskys „Pathétique“). Interessant ist für mich einmal mehr die Erfahrung, wie sehr man Musik verinnerlicht hat, denn fast bin ich geneigt, zum Schluss die fehlenden Worte Alberichs „…zurück vom Ring…“ mitzusingen. Die Erfahrung eines konzertanten Rings habe ich vor vielen Jahren im Münchner Gasteig machen dürfen. Wagners Musik lässt sich konzertant komplett anders erfahren, als bei einer szenischen Umsetzung – man ist viel mehr dabei, kann viel besser in diese Klangwelten eintauchen. Aber eigentlich ist es eher ungewöhnlich und selten, seine opulente Musik im Konzertsaal zu hören. Ich habe es sehr genossen.

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