Hamlet – Schauspielhaus Zürich 1.11.2018

Zur Eröffnung Ihrer letzten Spielzeit am Schauspielhaus Zürich hat Intendantin BARBARA FREY nochmals einen Shakespeare inszeniert und mit einem dunklen und kühlen „Hamlet“ einen sehr dichten Abend geschaffen, der mit seinen pausenlosen 2 Stunden 15 Minuten Spieldauer das Publikum fordert, aber einen bleibenden Eindruck hinterlässt…

Helsingør, der Ort des Geschehens in Dänemark, ist ein dunkler Bühnenraum (BETTINA MEYER), der an der Rückwand mit dem roten Bühnen-Vorhang abschliesst und durch den bereits zu Beginn die Dämonen der Vergangenheit geistern – das ist shakespearesk, denn wie wir alle wissen „die ganze Welt ist eine Bühne“. Hamlet, der zweifelnde, ja fast schon depressive, titelgebende Held sitzt am Portal, versunken in seiner negativen Gedankenwelt und unendlicher Melancholie. Er klagt seinen Onkel Claudius an, den Vater getötet und kurz darauf die Mutter geheiratet zu haben – ein wohl abgekartetes Spiel. Hamlet nimmt Rache, tötet Claudius, stirbt aber auch selbst und findet erst durch seinen eigenen Tod die ersehnte Erlösung aus seiner wütenden Welt – friedlich und mit den abschliessenden Worten „Der Rest ist Schweigen“. Das dies ein grosser Theaterabend wird, liegt an den hervorragend besetzten Schauspielern, natürlich allen voran JAN BÜLOW als Hamlet. Schon lange nicht mehr Jemanden erlebt, der wundersam den Text deklamiert und das Wort zu etwas wirklich Grossem und Wichtigen macht, das liegt aber auch an der feinfühligen Umsetzung von BARBARA FREY, die sich bei dieser Regiearbeit ganz auf das Wesentliche konzentriert und auf Effekthascherei verzichtet – die sanft umschmeichelnde Live-Bühnenmusik von IÑIGO GINER MIRANDA (am Flügel) verleiht dem Abend Ruhe und häufig etwas Feierliches. INGA BUSCH gibt eine stolze Gertrud, CLAUDIUS KÖRBER irritiert leicht als – irgendwie ätherisch schwebende – Ophelia (und weiteren Rollen). MARKUS SCHEUMANN, ein grosser Komödiant, ist für mich als Claudius nicht die Idealbesetzung, seine trocken gespielte Ernsthaftigkeit nehme ich ihm teilweise nicht ab, dennoch gelingt ihm überzeugend die Darstellung des schmierig-durchtriebenen Intriganten. Rosenkranz (EDMUND TELGENKÄMPER) und Güldenstern (BENITO BAUSE) erscheinen wie Marionetten, wie Automaten, die funktionieren und die Handlung vorantreiben – grossartig ihr den Mörder entlarvendes Theaterstück im III. Akt. In weiteren Rollen GOTTFRIED BREITFUSS, der vor allem als Totengräber brilliert. BENITO BAUSE hat in den letzten Stücken immer mehr an Profil gewonnen und ist zu einem wirklich tollen ausdrucksstarken Darsteller gereift, der sehr musikalisch ist (wunderbar immer noch in Erinnerung in Nikolaus Habjans herrlichem Kreisler-Abend „Ausschliesslich Inländer„) und in diesem „Hamlet“ – dann als Laertes – gemeinsam mit JAN BÜLOW eine grossartige finale Fechtszene hinlegt – sowas sieht man heutzutage ja leider immer seltener (wunderbare Kampfchoreografie von KLAUS FIGGE!). Wohltuend die Übersetzung/Textfassung von ELISABETH PLESSEN, die dem Wort viel Gewicht verleiht und sich immer auf das Wesentliche konzentriert. Ein wirklich toller, düster-schwarzer Abend – im sehr ästhetischen Licht von RAINER KÜNG und schön-schlichten Kostümen von ESTHER GEREMUS – zur Saisoneröffnung in grossartiger Besetzung. Das Schauspielhaus Zürich ist grossartig in Barbara Freys letzte Saison gestartet!

Ganz verabschiedet hat sich die scheidende Intendantin aber noch nicht, zum Saison-Ende gibt es 2019 im Pfauen noch eine letzte Inszenierung von ihr – „Die Toten“ von James Joyce.

 

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