Freitagabend. Voll besetzte Tonhalle. Begeistertes Publikum. Nicht verwunderlich: Es stehen Werke der französischen Komponisten Francis Poulenc und Gabriel Fauré auf dem Programm. In hervorragender Besetzung: PAAVO JÄRVI am Pult, IVETA APKALNA an der Orgel. Was für ein schönes Konzert!
Dieses aussergewöhnliche und sehr stimmige Programm ist eine willkommene Abwechslung im manchmal doch etwas eintönigen und repetitiven Programmkalender. Poulencs wundervolles Orgelkonzert etwa – welches in diesem Konzert erklingt – war hier zuletzt 1995 zu hören – vor fast 30 Jahren, such a shame!! Das Konzert beginnt mit „Super flumina Babylonis (Psalm 136)“, einem 10minütigen Frühwerk Faurés und die hohe Qualität der Zürcher Sing-Akademie nimmt sofort gefangen, das war nicht immer so. „Super flumina Babylonis“ thematisiert die Verschleppung der Juden nach Babylon durch Nebukadnezar im 6. Jahrhundert vor Christus. Obwohl ein sehr frühes Werk und erstmals in der Tonhalle zu hören (wiederentdeckt 1997), ist es doch meisterlich komponiert und vereinigt üppige Klanggebilde mit Chorgesang. Die Chorsolist:innen KEIKO ENEMOTO (Sopran), URSINA PATZEN (Alt), TIAGO OLIVEIRA (Tenor) und GRÉGOIRE MAY (Bass) sind hervorragend. Ein wunderbarer Konzertauftakt. Es folgt Poulencs Orgelkonzert in G-Moll mit der grossartigen Iveta Apkalna an der Orgel. Apkalna ist Fokus-Künstlerin der Saison 2023/24 und Titular-Organistin der Klais-Orgel in der Hamburger Elbphilharmonie. Äusserst facettenreich und farbig spielt sie dieses Werk, dass alles andere ist, als vergeistigte Kirchenmusik. In den sieben Sätzen dieses Konzertes erklingt die neue Orgel einmal mehr grossartig, die Akustik auf dem Mittelbalkon ist hervorragend. Das Orgelkonzert war ein Auftragswerk von Winnaretta Singer und bietet eine unglaubliche Bandbreite an Scheinzitaten, erinnert punktuell an Drehorgel und Jahrmarkt, präsentiert sich aber auch mit Witz, profaner Unterhaltung und stellenweise Bach’scher Opulenz und Geistlichkeit.


Und einmal mehr gibt es als Zugabe Charles-Marie Widors Toccata aus der fünften Orgelsinfonie – immer wieder wunderbar dieses Stück und natürlich ein herrliches Encore, die Zuhörerschaft ist begeistert (zuletzt hier in der Tonhalle gehört beim Konzert mit Wayne Marshall).
Gabriel Fauré: „Super flumina Babylonis (Psalm 136) – Francis Poulenc: Orgelkonzert g-moll – Zugabe Iveta Apkalna: Charles-Marie Widor: Toccata aus der 5. Orgelsinfonie – Gabriel Fauré: Requiem op. 48 für Solisten, Chor, Orgel und Orchester
Der zweite Teil des Konzert ist erfüllt mit den fast schon sphärischen Klängen von Faurés „Requiem“. Es ist so viel zarter, sanfter, weniger bombastisch und wehklagend als andere Requiems und doch ist etwa im „Libera me“ eine gewaltige Kraft zu spüren, die Järvi stellenweise betont, insgesamt aber doch eher zurückhaltend, fast schon zärtlich bleibt. Es gibt so viele wundervolle Momente, wie etwa das „Sanctus“ oder der fast schon entrückte Schluss mit dem leise verklingenden „In paradisum“. Man möchte am liebsten, dass nach den letzten verklingenden Tönen das Konzert nochmals von vorne beginnt. Die beiden Solist:innen GIULIA SEMENZATO (Sopran) und RODION POGOSSOV (Bariton) nehmen sich eher zurück, fügen sich ein, berühren aber immens, wie etwas Semenzato im wunderschönen „Pie Jesu“. Pogossovs Stimme ist Geschmacksache, für ein Werk wie dieses Requiem tönt sie für mich zu opernhaft. Und auch im letzten Teil des Abends begeistert die Zürcher Sing-Akademie (Einstudierung FLORIAN HELGATH). Bitte mehr davon, mehr von diesen hierzulande wenig gespielten Franzosen, statt immer nur den ollen Bombast-Bruckner und neverending Gustav Mahler mit deren oft unerträglich üppig-triefender Sinfonik.
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Gabriel Fauré und Francis Poulenc – wie wunderbar!
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Ja, das war wirklich ein wunderbares Konzert!
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