Buddenbrooks – Schauspielhaus Zürich 5.1.2018

„Buddenbrooks“ auf der Bühne? Geht das? Das geht! Nachdem mich die bisherigen Inszenierungen von Bastian Kraft am Schauspielhaus Zürich absolut überzeugt und begeistert haben und mich die Romane Thomas Manns Zeit meines Lebens (immer mal wieder) begleiten, war ich sehr gespannt, wie wohl die Geschichte der Lübecker Kaufmannsfamilie „Buddenbrooks“ auf der Pfauenbühne erzählt wird. Immerhin ist es ein umfangreiches Zeitdokument hanseatischen Grossbürgertums, für das Thomas Mann 1929 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Nach knapp 3,5 Stunden ist aber auch diese Geschichte von einem hervorragenden Ensemble illustriert und spannend erzählt…Ein wuchtiger Theater-Abend, an dem diese alteingesessene Kaufmanns-Familie stückchenweise demontiert und zerstört wird – der Zuschauer als Voyeur. Ein schönes Bild, wenn im Laufe des Abends nacheinander jedes Familienmitglied die Stichsäge in die Hand nimmt und so (manchmal vielleicht etwas zu plakativ und irgendwann auch abgenutzt) an der grossen Tafel im Speisezimmer der Buddenbrooks seinen Anteil am Niedergang hat und dazu beiträgt. Jeder sägt mit am eigenen Untergang. Wie ein überdimensionaler Spiegel an der Wand hängt dazu eine grosse Projektionsfläche, auf der die Familie den eigenen Untergang jederzeit beobachten und mitverfolgen kann, kleine Details werden so für den Zuschauer sichtbar und gross. Bastian Krafts Handschrift, in nahezu jeder seiner Arbeiten, sind die Videoprojektionen. Mit ihnen ist man jeweils mitten im Geschehen. Viele Nahaufnahmen und Sequenzen die zeigen, wie selbstverschuldet dieser Untergang der Buddenbrooks doch ist. Keine Offenheit für eine neue Zeit, den Traditionen verbunden, arrogant – da wirkt der Diener Anton (Milian Zerzawy) oder Tonys Ferienliebe Morten (Benito Bause) – mit dem sie vielleicht ihr Glück hätte finden können – wie ein Fremdkörper, der schnellstens entfernt werden muss.

Schön, Jean-Pierre Cornu wieder einmal als Gast auf der Pfauenbühne zu sehen, für mich die Idealbesetzung als Familienoberhaupt Konsul Buddenbrook, als Konsulin Susanne-Marie Wrage dagegen wohl zu jung besetzt und als seine Gattin altermässig nicht wirklich glaubwürdig, anfänglich irritierend. Als Gast in dieser Produktion begeistert Daniel Strässer als umtriebiger Sohn und Lebemann Christian, herrlich hypochondrisch und anrüchig in eine Schauspielerin verliebt. Als seine flatterhafte und verzogene Schwester Tony: Henrike Johanna Jörissen, trotz zweimaliger geplanter Heirat findet auch sie kein Glück und kann den Verfall der Familie nicht retten (herrliche Charakterstudien von Matthias Neukirch in den Rollen der beiden Gatten Grünlich und Permaneder). Der einzige Buddenbrook, der krampfhaft mit allen Mitteln versucht die Dynastie aufrechtzuerhalten, ist Thomas (Edmund Telgenkämper), aber auch er scheitert: Missernten, seine Ehe mit einer Musikerin (toll wie immer: Lena Schwarz) und sein hochsensibler Sohn Hanno, der so gar nicht recht in seine Planung passt und letztendlich den Stammbaum abrupt beendet, da er jung an Typhus stirbt (Claudius Körber in Doppelung mit den Jungen Simon Benedikt/Aurel Kuthy).

Am Ende des (ein klein wenig zu lang geratenen Abends) ist die Ordnung zerstört, es herrscht Chaos, Thomas Buddenbrook hat seinen angestammten Platz in dieser Welt der Lübecker Kaufmänner verloren und wird nur noch belächelt. Da wirkt es fast schon grotesk, dass er an einer Zahnbehandlung stirbt. Es ist ein Abend des Scheiterns mit all seinen Facetten. Tragisch. Eine tolle Bearbeitung als Bühnenfassung von Bastian Kraft. Das wirkt noch lange nach und bleibt haften. Und macht grosse Lust, die „Buddenbrooks“ bald mal wieder aus dem Bücherregal zu holen….

„Die Buddenbrooks“ von Thomas Mann (1875-1955)

 

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