La forza del destino – Oper Zürich 26.11.2025

Wer kennt es nicht, das berühmte Schicksalsmotiv aus der Verdis „La forza del destino“? Immer wieder toll zu hören und fast nicht aus dem Ohr zu bekommen. Und so hat diese Oper ihren festen Platz in den Spielplänen, die aktuelle Zürcher Neuproduktion in der Regie von VALENTINA CARRASCO und mit GIANANDREA NOSEDA am Pult sorgte bereits im Vorfeld für einigen Presserummel und kleinere, fast nicht erwähnenswerte Proteste aufgrund des Engagements von A. Netrebko…

Und um es gleich vorneweg zu sagen – ich habe mich bewusst dafür entschieden, keine Vorstellung mit Netrebko zu besuchen, ich möchte dieses Engagement nicht unterstützen. Kunst ist für mich immer politisch und nicht nur dann, wenn es für eine Kulturinstitution gerade passt. Ein Engagement dieser Person finde ich das falsche Signal eines Hauses wie der Oper Zürich. Natürlich ist ihre Stimme immer noch wunderbar, auch wenn es einige Jahre her ist, seit ich sie zuletzt gehört habe, aber es gibt ebenbürtige Besetzungen, man hätte auf diese Frau verzichten können – natürlich erhält man mit Anna N. mehr Presse. Sei’s drum! Ich wollte weder sie noch ihren ewig mitgeschleiften Mann Y. Eyvazov hören. Und so habe ich eine Vorstellung mit dem zweiten Cast besucht – ELENA GUSEVA als Donna Leonora (mit wunderbar klaren, sauber gesungenen, fast mühelosen Höhen, brava!) und RICCARDO MASSI als ein hervorragender, glaubhaft verkörperter Don Alvaro, sind beide ebenso sehens- und hörenswert, die komplette Aufführung ist musikalisch wirklich ein Genuss (auch wenn es für mich vor allem im 3. und 4. Akt schon einige Längen gibt…). Sehr gespannt war ich auf die Inszenierung Valentina Carrascos, deren Pariser Produktion „Nixon in China“ mir sehr gut gefallen hat. Und grundsätzlich muss man auch sagen, das Zürcher Konzept ist eigentlich interessant, jedoch hat es zu viele Schwächen und funktioniert für meinen Geschmack nicht wirklich, denn das Grauen und den Schrecken eines Krieges auf einer Opernbühne zu zeigen ist meistens lächerlich bis peinlich und so erzeugt dann auch ein „Drohneneinsatz“ eher Gelächter als Betroffenheit im Publikum. Wie gut blieb mir die Netrebko mit Maschinenpistole während ihrer „Pace Pace“-Arie erspart. Der Feind kommt aus dem Osten, stürmt in Richtung Zürich, wir sehen Filmeinspielungen von Nachrichtensendungen, von Truppen gestürmte SRF Fernsehstudios, das UNO -Gebäude in Genf, die Chagall-Fenster im Zürcher Fraumünster, das Kongresszentrum in Davos (hier „War Economic Forum“ genannt) – alles mit Einschusslöchern, zerbombt, eine kriegsversehrte Schweiz und doch bleiben diese Bilder etwas beliebig und wirken fast schon weichgespült. Können wir uns das nicht vorstellen, dass ein derartiges Szenario hier in der neutralen Schweiz eintritt oder ist das Thema Krieg einfach aktuell zu abgegriffen? Diese Frage beschäftigt mich fast mehr an diesem Abend, als die solide, aber wenig aufregende Inszenierung Carrascos. Viel spannender fand ich das kurze Gespräch mit meiner jungen, russischen Platznachbarin in ihrem Hingucker-Outfit. Grosse hörbare Freude hatte das Publikum am kurzen Auftritt des Hundes und einige nette Regieeinfälle gibt es dann schon auch noch, wie etwa der rollende Imbisswagen mit den „Hot War Dogs“ oder der Fentanyl-Handel und grundsätzlich das doch sehr opulente Setting von CARLES BERGA. Und natürlich tönt es auf der Bühne und aus dem Graben in dieser besuchten Vorstellung grossartig. Nebst Guseva und Massi in den beiden Hauptpartien brilliert einmal mehr GEORGE PETEAN als Don Carlo di Vargas, was für ein wunderbar strahlender Bariton, aktuell wohl einer der besten Sänger in diesem Fach und – lucky us – in Zürich regelmässig zu hören. Ganz wunderbar fand ich ANNALISA STROPPA (die ich zuletzt als Carmen an der Opera Carlo Felice in Genua erleben durfte…) als Preziosilla, immer kampfbereit, voller Energie und sehr facettenreich und ein heimlicher Favorit in dieser Produktion ist definitiv der Fra Melitone von ROBERTO FRONTALI, ich bin immer wieder erstaunt über diese bissige Figur, die Verdi da geschrieben hat und sowohl darstellerisch, als auch musikalisch war Frontali eine fantastische Besetzung für diese Rolle. Dazu der väterliche Pater Guardian von MICHELE PERTUSI sowie auch in den kleinen Rollen hervorragend besetzt: NATÁLIA TUZNIK (Curra), LOBEL BARUN (un alcade), TOMISLAV JUKIĆ (Mastro Trabuco), MAX BELL (un chirurgo) und in dieser Oper schnell abgespielt, aber schön zu sehen und zu hören: STANISLAV VOROBYOV als Marchese die Calatrava. Absolut überrascht in dieser Produktion hat mich die grossartige Leistung des CHOR DER OPER ZÜRICH (super die Herren als Mönche!!) samt CHORZUZÜGER:INNEN, die SOPRALTI und der Kinderchor der Oper Zürich (der mir bei „Hänsel und Gretel“ weniger gut gefiel), alle einstudiert von KLAAS-JAN DE GROOT.

Noseda dirigiert diesen Verdi packend, das Orchester trägt diese wunderbaren Sänger:innen und den Chor, allesamt äusserst textverständlich, die Schicksalsmotive sind dann immer wieder ein starker Moment, der mich als Zuhörer packt und manchmal emotional fast schon überrollt, wo vonnöten setzt Noseda auf Dramatik, gleichzeitig gibt es aber auch viele zarte Momente, verdienter jubelnder Applaus für alle Beteiligten. Wer herrlich tönenden Verdi hören will, sollte sich unbedingt für eine der letzten Vorstellungen noch Tickets besorgen, man kann „La forza del destino“ auch getrost ohne Netrebko besuchen, wunderbar!

Whats next? – „Die Fledermaus“ von Johann Strauss (ML: Lorenzo Viotti/R: Anna Bernreitner) an der Oper Zürich, in ganz zauberhafter Besetzung!

Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:

543: Hänsel und Gretel – Oper Zürich 20.11.2025

542: El Barberillo de Lavapiés – Theater Basel 05.11.2025

541: Pélleas & Mélisande – Grand Théâtre de Genève 02.11.2025

540: Der Rosenkavalier – Oper Zürich 01.10.2025

539: Tannhäuser – Grand Théâtre de Genève 28.09.2025

538: Manon – Oper Zürich 24.09.2025

537: Elektra – Theater St. Gallen 07.09.2025

536: La Traviata – Grand Théâtre de Genève 22.06.2025

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