Die Liebe zu den drei Orangen – Theater St. Gallen 08.12.2024

Prokofjews Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ ist immer einen Besuch wert und so bin ich einmal mehr in den Osten der Schweiz gereist, um noch die Derniére am Theater St. Gallen in der Regie von ANNA BERNREITNER unter der musikalischen Leitung von MODESTAS PITRENAS zu sehen…

Anna Bernreitners Regieansatz, das Konzept angelehnt an die „Truman Show“ erscheint schlüssig und ist eine interessante Idee, allerdings bin ich immer der Auffassung, dass eine Inszenierung sich dem Zuschauer auch erschliessen muss, ohne das er vorab das Programmheft studiert. Hat man das nicht, fragt man sich schon, was sollen diese Wolkenprospekte, was soll dieser permanent anwesende Chor, der aussieht, als arbeitet er für die Abteilung kriminaltechnische Untersuchung und vor allem, was sollen diese permanent herbei schwebenden beschrifteten Kisten? Von daher finde ich diese Idee ganz nett und bis zum Schluss sehr stimmig, aber vom Hocker hat es mich nun nicht gerissen, da habe ich schon sehr viel interessantere Umsetzungen dieses Stoffs auf der Opernbühne gesehen (mein Favorit ist immer noch Andreas Homokis Inszenierung an der Komischen Oper Berlin), aber vielleicht bin ich auch aus einer anderen Generation als Madame Bernreitner, die natürlich ihre Regie-Generation repräsentiert und mit Sitcoms und deren Komik grossgeworden ist – und das ist auch gut so. Und irgendwie muss der Chor analog der griechischen Tragödie ja nun auch eingreifen, ok, dann also analog der „Truman Show“ und dazu diese wunderbar ironische Musik. Ich bin versöhnt. Und bei all diesen Machenschaften und Intrigen und mit den ganzen Zauberern und Feen, kann man auch gut verstehen, dass der Prinz und seine Prinzessin zu guter Letzt die Nase davon voll haben und sich ebenfalls durch den Notausgang davonmachen, hinaus in eine reale Welt. Das neo-dadaistisch anmutende Libretto vom Komponisten nach Carlo Gozzi (hier in deutscher Textfassung – warum auch immer- von WERNER HINTZE) und diese tolle Musik laden förmlich dazu ein, etwas Buntes und Schräges auf die Bühne zu bringen, hier kann man sich als Regisseur:in, als Ausstatter:in austoben. Der absolute Hingucker in dieser Produktion sind die Kostüme der beiden Ausstatter:innen MANFRED RAINER und HANNAH OELLINGER, von denen auch die Bühne stammt (die ich eher etwas einfallslos finde). Der Cast ist jedenfalls wunderbar, voller Spielfreude und musikalisch bestens disponiert: Allen voran der herrlich jammernde, hypochondrische Prinz von BRIAN MICHAEL MOORE, unterstützt von RICCARDO BOTTA als Truffaldino, wunderbar spielfreudig als Prinzessin Clarice JENNIFER PANARA zusammen mit LEON KOŠAVIĆ als Leander sowie MARTIN SUMMER als Kreuz-König und tuntig-amüsant, schräg, quirlig und absolut köstlich energiegeladen ÄNEAS HUMM als Pantalone. Celio war mit JONAS JUD hervorragend besetzt (wunderschön gesungen seine Farfarello-Rufe!), LIBBY SOKOLOWSKI ist eine grossarige Fata Morgana mit entsprechender Dramatik, an ihrer Seite MACK WOLZ als Smeraldina und Orange Linetta (spielfreudig wie immer!). Auch die anderen Rollen sind hervorragend besetzt: KRISTJÂN JÓHANNESSON als Kochlöffel schwingende Köchin mit sonorem Bass, KALI HARDWICK als Orange Ninetta und Prinzessin, CANDY GRACE HO als Orange Nicoletta, ROBERT VIRABYAN als Farfarello und BARNA KOVÁCS als Zeremonienmeister. Es ist die letzte Vorstellung dieser Koproduktion zwischen dem Konzert und Theater St. Gallen, der Opéra national de Lorraine und dem Theater Magdeburg, das Auditorium ist nicht wirklich voll besetzt, dennoch habe ich das Gefühl, dass die angekarrten Abo-Busladungen diesen Prokofiew mögen, kein Wunder, denn die Musik ist wunderbar, egal, ob man nun etwas mit der szenischen Umsetzung anfangen kann oder nicht. Prokofiews Opern haben mich immer begeistert, egal ob „Der Spieler“, „Krieg und Frieden“, „Der feurige Engel“ oder eben dieses sehr skurrile Stück „Liebe zu den drei Orangen“. Und doch ist es von den in letzter Zeit in St. Gallen besuchten Opernproduktion für mich die schwächste Produktion, eine Freude ist es dennoch immer wieder in diesem sehr schönen Theaterbau zu sein. Am Pult stand Chefdirigent MODESTAS PITRENAS und dirigierte dieses facettenreiche Werk engagiert und mit gemässigten, sehr sängerfreundlichen Tempi, der Chor wurde exzellent einstudiert von FILIP PALUCHOWSKI.

Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:

518: Leben mit einem Idioten – Oper Zürich 1.12.2024
517: Ariadne auf Naxos – Oper Zürich 10.10.2024 
516: Simon Boccanegra – Oper Zürich 27.09.2024
515: Der Doppelgänger – Luzerner Theater 12.09.2024
514: Tannhäuser – Bayreuther Festspiele 27.08.2024
513: Tristan und Isolde – Bayreuther Festspiele 26.08.2024
512Siegfried – Bühnen Bern 18.06.2024
511: I vespri siciliani – Oper Zürich 13.06.2024
510: L’Orfeo – Oper Zürich 06.06.2024
509: Wilhelm Tell – Theater St. Gallen 25.05.2024
508: El Niño – Metropolitan Opera New York 08.05.2024
507Saint François d‘Assise – Grand Théâtre de Genève 14.04.2024

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