Wohl eines der Highlights am Steps Festival 2024: „Assembly Hall“, die neue Produktion von KIDD PIVOT – dem Ensemble der kanadischen Tänzerin und Choreographin CRYSTAL PITE – die in Zusammenarbeit mit dem Autor JONATHON YOUNG entstanden ist. Grossartig!
Das besondere an dieser Zusammenarbeit ist wohl die gemeinsam entwickelte Tanz- bzw. Bewegungssprache, bei der die Performer:innen und ihre Bewegungen auf den Text choreographiert sind, dies alles im unerkennbaren Stil von Crystal Pite, deren Arbeiten hierzulande leider viel zu selten zu sehen sind. Dank Christian Spuck jedoch gab es vom Zürich Ballett während seiner Direktion „Emergence“ von Crystal Pite im Doppelabend „Angels Atlas“ zu sehen. Kidd Pivot setzt sich mit schwierigen und komplexen Themen wie Trauma, Sucht, Konflikt, Bewusstsein und Sterblichkeit auseinander und so bietet „Assembly Hall“ eine interessante Mischung aus Humor, Slapstick und fast schon tiefenpsychologischen Einblicken in die Gruppendynamik eines Vereins. Dafür braucht es sekundengenaues Timing und ein breites Bewegungsspektrum. Was für eine bewundernswerte Leistung der Tänzer:innen, die lippensynchron die von Schauspieler:innen gesprochenen Texte umsetzen!
Die Jahresversammlung eines Mittelaltervereins tagt in ihrem Raum im Gemeindezentrum. Es liegt am Leitungsgremium, das sogenannte «Quest Fest» zu retten, denn die Mitgliedszahlen sinken, die Schulden wachsen an und das Gemeindezentrum ist baufällig. Sollte nicht bald etwas geschehen, droht dem Verein das Ende. Im Verlauf der Versammlung verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Reenactment, uralte Kräfte werden erweckt und bald wird klar, dass viel mehr auf dem Spiel steht als ein nachgestelltes Mittelalterturnier. (STEPS)
Das Stück selbst ist eine bunte Melange aus mittelalterlichen Schwertkämpfen, langweiligen Sitzungsabläufen und der allgegenwärtig im Raum stehenden Frage, soll man nun diesen Verein, der sich dem Re-Enactement des Mittelalters widmet, auflösen oder diese Auflösung um ein weiteres Jahr vertagen. Dazwischen Diskussionen, ob man die Pause vorziehen soll und als Running Gang immer wieder der Tagesordnungspunkt „unerledigte Dinge“. Das Grundthema ist die Gemeinschaft, man will dazugehören, nicht ausgeschlossen werden und doch auch seine individuelle Meinung möglichst behalten. Und so sind auch die einzelnen Charaktere des Ensembles grossartig ausgestaltet (BRANDON ALLEY als Woody, LIVONA ELLIS als Gail, RAKEEM HARDY als Boyd, GREGORY LAU als Dave, DOUG LETHEREN als Shaun, RENA NARUMI als Bonnie, ELLA ROTHSCHILD als Mae, RENÉE SIGOUIN als Glenda). All das ist eine sehr skurrile und wunderbar gelungene Mischung aus Mythen um König Arthur, dem reinen Tor Parsifal, dem Gralsritter Lohengrin (der jedoch in diesem Fall eine bestimmte Frage stellen muss…) und eine gute Portion Humor von Monty Python. Dazu gibt es musikalischen Pathos mit dem 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky und viele Momente, die doch sehr an eine Persiflage von altbackenen Handlungsballetten denken lassen. Nach 90 Minuten Zeitschleifen, vielen stillen und berührenden Momenten, bombastischen Soundcollagen (OWEN BELTON, ALESSANDRO JULIANI, MEG ROE), tollem Licht-Design von TOM VISSER und vor allem grossartiger Leistung des Ensembles dann der begeisterte Applaus samt Standing Ovation des Publikums. Was für eine tolle Produktion!
Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:
Alan Lucien Øyen: Story, Story, Die – STEPS / Kurtheater Baden 24.04.2024
Tanzkompanie St. Gallen: Fordlandia – Theater St. Gallen Premiere 06.04.2024
Messa da Requiem/Ballett Zürich – Oper Zürich 28.03.2024
Matthäus 22:37-39 (Jo Strømgren/Tanzkompanie St. Gallen) – Lokremise St. Gallen 23.02.2024
Timekeepers: Tankard/November/Nijinskaja – Ballett Zürich 02.02.2024
Walkways: W. McGregor/C. Marston/J. Robbins – Ballett Zürich 01.01.2024
Alonzo King Lines Ballet: Deep River – Theater Winterthur 22.12.2023
Introdans: Fall/Pure/Kaash – Theater Winterthur 23.11.2023
La Veronal: Sonoma – Theater Winterthur 11.11.2023
Florentina Holzinger: TANZ – Theaterhaus Gessnerallee 10.11.2023
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