Diaty Diallo – Zwei Sekunden brennende Luft.

Ein eskalierender Abend in den Banlieus, ein Einblick in das Leben der dort lebenden Jugendlichen, fernab vom Chic der Pariser Innenstadt. Diaty Diallos Debütroman schafft es grandios, fast schon poetisch diesen Alltag zu beschreien. „Zwei Sekunden brennende Luft“ ist ein Roman, der stellenweise wie ein Songtext anmutet und nicht nur in Frankreich viele Diskussionen auslöst….

Sie leben in den Banlieus, Jugendliche afrikanischer und arabischer Herkunft, sie sind permanent den Kontrollen und der Willkür der Polizei ausgesetzt, bis einer ihrer Freunde von der Polizei erschossen wird und sie den Aufstand planen. Sie haben wenig Hoffnung und trotz Studium oftmals keine Chance. Das ist hart und von der jungen Autorin grossartig beschrieben, basierend auf einer wahren Begebenheit.

Die Szenerie: eine Banlieue von Paris. Hochhäuser, eine Betonplatte, darauf ein kleiner Turm in Form einer Pyramide. Herumliegende Autoteile, Campingstühle, Motocross-Sättel. Fensterbänke, um sich darauf zu lehnen und die Welt zu beobachten. Eine Gruppe von Jugendlichen. Astor, seine Freunde Chérif, Issa, Demba, Nil und die anderen verbringen hier den größten Teil ihrer Zeit. Sie kennen sich schon ewig und teilen alles miteinander, von kleinen Abenteuern über große Grillpartys bis hin zu den täglichen Schikanen der Polizei, die sie misstrauisch beäugt, kontrolliert, festnimmt und immer wieder massiv angreift. Die Pyramide über einem mehrstöckigen Parkhaus ist ihr Lieblingsplatz, um abzutauchen, Partys zu feiern, zu trinken, zu rauchen, Musik zu hören und zu tanzen. Ein Orientierungspunkt inmitten der Ödnis. Ein Tag im Juli, die Luft steht vor Hitze. Am Abend hängen die einen noch auf der Betonplatte ab, während die anderen schon feiern. Ein klassischer Sommerabend, bevor plötzlich die Luft vernebelt wird, die Geräusche verschwimmen, Augen brennen und Tränen fließen. Ein wahres Chaos. Es kommt, wie es kommen musste: Festnahmen, Polizeigewahrsam. Und Samy, einer von ihnen, wird von der Polizei erschossen. Ein Tropfen, ein Ozean – zu viel. (Verlag Assoziation A)

Die Ausweglosigkeit dieser Jugendlichen nimmt mir oftmals den Atem. Thematisiert werden in diesem Roman der allgegenwärtige Rassismus, die Überwachung durch die Polizei in Frankreich in den französischen Metropolen und die Hoffnungslosigkeit und horrende Chancenungleichheit. Stellenweise erscheint mir der Roman wie ein Rap, wie eine musikalische Bestandsaufnahme der Situation in den Vororten. Diallo nimmt die Jugendsprache auf und beim Lesen hat man oft das Gefühl, genau den beschriebenen Rhythmus der Strasse, den harten Sound dieser Orte zu spüren, zu erleben. Dennoch gibt es so viele feine Momente, so viele Liebe und Zusammenhalt. Ein wirklich starkes Buch!

„Zwei Sekunden brennende Luft“ von Diaty Diallo, Verlag Assoziation A, 2023, ISBN: 978-3-86241-501-4 (Werbung)

Zuletzt gelesen:

Gabriel García Márquez – Wir sehen uns im August

Gaea Schoeters – Trophäe

Josephine W. Johnson – Die November Schwestern

Truman Capote – Kaltblütig

Gu Byeong-Mo – Frau mit Messer

Meri Valkama – Deine Margot

Sheng Keyi – Die Gebärmutter

Jon Fosse – Ein Leuchten

Tonio Schachinger – Echtzeitalter

Claire Keegan – Das dritte Licht