Es ist schon fast etwas weird und unheimlich, dieser Hype um VÍKINGUR ÓLAFSSON, der bereits nach den zuletzt besuchten Konzerten spürbar war, nun aber mit diesem Klavierrezital in der Tonhalle Zürich schon fast kultische Ausmasse angenommen hat. „Opus 109“ (Beethovens Klaviersonate Nr. 30 E-Dur) ist das zentrale Werk des Abends und so heisst auch die neue Einspielung, die natürlich kräftig beworben wird…
Die Marketingmaschine um Víkingur Ólafsson läuft auf Hochtouren und just am Tag des Konzerts liegt das von ihm kuratierte neue Festival PULSE 2026 „Time and Space“ in Luzern im Briefkasten, mit einem zugegebenermassen sehr interessanten Konzertkalender. Er trifft offenbar den Puls der Zeit, denn das Konzert in der Tonhalle ist schon lange komplett ausverkauft und das Publikum ist eine ganze eigene Mischung, die man sonst an diesem Ort nicht so wahrnimmt. Alle Werke in diesem Rezital stehen entweder in E-Dur oder in e-Moll und nicht nur das verbindet Bach, Beethoven und Schubert miteinander, wie Ólafsson zum Ende des Konzerts in einer sehr sympathischen und interessanten Speech erläutert. Manches in Beethovens Sonaten wirke «wie eine Liebeserklärung an Bach» sagt er und gleichzeitig habe ich während dieses Konzertes das Gefühl, dass der wirkliche Mittelpunkt eben Bachs Partita Nr. 6 e-Moll ist, für mich ist sie das zentrale Werk dieses Konzerts. Und es ist ein wirklich unglaublicher Abend, denn er spielt in knapp 90 Minuten ohne Pause sämtliche Werke hintereinander weg, ohne Applaus, ohne Durchatmen, nur kurze Momente der Konzentration dazwischen, das – muss ich ganz ehrlich zugegeben – ist nicht nur für ihn anstrengend, sondern auch für mich und die Zuhörerschaft, doch gleichzeitig ist man am Ende komplett geflashed und – tja, vollends glücklich.
Johann Sebastian Bach: Präludium Nr. 27 E-Moll op. 90 – Ludwig van Beethoven: Klaviersonate Nr. 27 e-Moll op. 90 – Johann Sebastian Bach: Partita Nr. 6 e-Moll BWV 830 – Franz Schubert: Moderato und Allegro aus der Klaviersonate e-Moll D566 – Ludwig van Beethoven: Klaviersonate Nr. 30 E-Dur op. 109 – Encores: Johann Sebastian Bach: III. Sarabande aus „Französische Suite“ Nr. 6 in E-Dur – Jean-Philippe Rameau „Le Rappel des Oiseaux“ – Philipp Glass: Etude Nr. 6 – Jean-Philippe Rameau: „The Arts and the Hours“
Sämtliche Konzerte mit Ólafsson und dem Tonhalle Orchester oder auch sein Rezital mit Yuja Wang fand ich absolut toll, aber dieses Rezital ist programmatisch etwas ganz Besonderes: Bachs Polyphonie begeistert mich in diesem Konzert, der Dialog mit den anderen gespielten Werken ist grossartig, das künstlerische Konzept dieses Rezitals funktioniert bestens, denn alles läuft auf eben dieses Opus 109 hinaus und natürlich funktioniert das Ganze auch deshalb so hervorragend, weil es eben keinen Zwischenapplaus nach jedem Stück gibt, sondern man die einzelnen Werke dadurch in viel stärkerer Verbindung hören kann. Wunderbar. Und einmal mehr wird klar, wie technisch brilliant und oftmals sehr analytisch Ólafsson spielt, gleichzeitig ist da dieses intensive und tiefe Verbundenheit mit den einzelnen Werken, vor allem das absolut verinnerlichte, stellenweise fast schon mystisch klingende op. 109 bewegt mich sehr. Wie zu erwarten bedankt er sich für den grossen Applaus und die Standing Ovations mit mehreren Zugaben. Was für ein tiefgründig konzipiertes Rezital! Glücklich kann sich schätzen, wer den Abend hören und erleben durfte!
What’s next auf meiner Konzert-Agenda? Thomas Guggeis (Leitung) für den erkrankten Philippe Jordan und Simon Trpčeski mit dem Tonhalle Orchester spielen Ravel und Liszt.
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