Jeder ihrer bisher auf Deutsch erschienenen Romane haben mich begeistert und sie ist wohl eine der spannendsten japanischen Autorinnen: Mieko Kawakami. Auch ihr neuer Roman „Das gelbe Haus“ – vor kurzem bei Dumont erschienen – ist richtig gute Literatur und gibt einen interessanten Einblick in das immer noch exotisch anmutende Japan…
Wie bei den meisten Romanen Kawakamis wird es nie wirklich konkret, viele Dinge bleiben im ungewissen, werden nur angedeutet – damit muss man als Leser leben können. Häufig stört mich das bei anderen Autor:innen und lässt mich unbefriedigt zurück, bei Kawakamis Romanen hingegen mag ich das sehr, wenn gewisse Dinge meiner Fantasie überlassen werden oder eben der Möglichkeit, selbst noch zu recherchieren. Einmal mehr schreibt sie über ein aus dem Leben des japanischen Alltags gegriffenes Thema und auch bei diesem Roman liest sich der Plot biographisch geprägt. Zwar erzählt die Protagonistin alles im lockeren Plauderton, bleibt überwiegend an der Oberfläche, aber genau dadurch schärft sich das Profil von Hana, die eine Suchende ist und bleibt, die vermeintlich ihr Leben selbst in die Hand nimmt und nicht realisiert, wie ferngesteuert und manipuliert sie von ihrem Umfeld wird.
Die siebzehnjährige Hana träumt von einer besseren Zukunft für sich und ihre Mutter, doch das Leben meint es nicht gut mit ihr. Es ist kurz vor der Jahrtausendwende, und in Japan ist die Wirtschaft ins Stocken geraten. Als die ältere Kimiko Hana unter ihre Fittiche nimmt, wird sie Teil einer neuen, selbst gewählten Familie: einer bunt zusammengewürfelten Gruppe von jungen Frauen, die am Rande der Gesellschaft leben. Unter der Führung von Kimiko übernehmen sie eine Bar, und zum ersten Mal in ihrem Leben fühlt Hana ein gewisses Maß an Freiheit und Sicherheit. Doch als das Geld zur Neige geht, sieht sie keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt ehrlich zu verdienen, und so rutscht Hana immer tiefer in eine kriminelle Parallelwelt, aus der es scheinbar kein Zurück mehr gibt. (Hanser Verlag)
„Das gelbe Haus“ ist ein Roman der Hoffnung, die Protagonistin blickt nach vorne, will sich von ihrer Herkunft, ihrem langweiligen Leben, welches sie gemeinsam mit ihrer Mutter führt, lösen. Sie ist auf der Suche nach einer besseren Zukunft, aber in vielen Dingen naiv und blauäugig und macht ihr Wohlergehen überwiegend an einer Sache fest: dem Geld. Das ist ihr persönlicher Heilsbringer (nebst einem Buch über Traumdeutung und der Bedeutung der Farbe Gelb im Feng Shui), das gibt ihr vermeintliche Sicherheit, die sich in nur wenigen Augenblicken in Nichts auflösen kann. Kawakami gibt einmal mehr einen tiefen Einblick in die japanische Gesellschaft (vor allem junger Menschen) in deren (kriminelle) Strukturen und lässt uns teilhaben am Alltag. Nichts davon wirkt erfunden, die Story liest sich auch in diesem Roman sehr authentisch und ich stelle fest: sämtliche gelesene Romane Kawakamis erscheinen mir sehr lebensnah – das mag ich an ihrer Schreibe, an ihrem Stil, an ihren Themen. Es ist bereits der vierte gelesene Roman von ihr, der mich doch sehr begeistert hat und ich kann die Lektüre der anderen ebenfalls sehr empfehlen!
„Das gelbe Haus“ von Mieko Kawakami, 2025, Dumont Verlag, ISBN: 978-3-8321-6834-6 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich bei sehr herzlich beim Dumont Verlag bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
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