Jane Gardam – Tage auf dem Land.

Leider verstarb im Frühjahr 2025 die wunderbare englische Autorin Jane Gardam im Alter von 96 Jahren, nun ist im Hanser Verlag ihr Roman „Tage auf dem Land“ (von 1976) posthum auf deutsch erschienen – für Fans dieser grossartigen Bestseller-Autorin ein Muss, denn ihre Romane machen glücklich und nehmen die Leserschaft immer wieder mit auf eine Reise in längst vergangene Zeiten, heutzutage sind diese Fluchten wichtiger denn je….

„Tage auf dem Land“ ist voller Witz und Gesellschaftskritik und unendlich weise, denn letztendlich erkennt sich jeder von uns in einer dieser manchmal etwas überzeichneten Figuren wieder und alles in allem ist die Story absolut britisch und gut so, wie sie ist. Schon ihre „Old Filth Trilogie“ („Ein untadeliger Mann“, „Eine treue Frau“ und „Letzte Freunde“) fand ich hinreissend, amüsant und einfach köstlich als Lektüre. Umso mehr hat mich nun diese Neuerscheinung gefreut. Natürlich sind die Romane von Jane Gardam old-fashioned, aber genau das macht ihren Reiz aus.

Man kann spannender aufwachsen als Marigold Green. Das Jungeninternat in Yorkshire, dem ihr Vater vorsteht, ist alles, was sie mit siebzehn von der Welt gesehen hat, richtige Freunde hat sie keine, und die Kommunikation mit ihrem Vater beschränkt sich auf schweigsame abendliche Schachpartien. Grell sind hier nur ihre leuchtend orangeroten Locken, ihre übersteigerte Fantasie und ihr vollkommen unangepasstes Auftreten. Da kehrt aus dem Nichts ihre einzige Kindheitsfreundin Grace zurück, von der sie jahrelang nichts gehört hat, umwerfend schön, nonchalant und rätselhaft, und plötzlich ist nichts mehr, wie es war … (Hanser Verlag)

Und es ist der ganz eigene Humor, diese ganze eigene konventionelle Erzählweise aus einer anderen Zeit, die diesen bereits 1976 erschienenen und nun posthum aufgelegten Roman so liebenswert macht. Natürlich hat er ein paar Längen und es dauert ein wenig, bis er an Tempo gewinnt und zunächst auch etwas (liebenswert) dahinplätschert, was aber dem Lesevergnügen überhaupt keinen Abbruch tut, denn amüsant ist die Lektüre allemal und zwar jedes einzelne Kapitel mit all den vielen detailreich erzählten Kleinigkeiten und schrulligen Personen. Mit „Tage auf dem Land“, eingemummelt auf dem Sofa und einer schönen Tasse Tee oder einem Gin Tonic, vergisst man den Alltag, trauert dem Sommer nicht mehr hinterher, geniesst den kühlen Herbstabend und begibt sich in die Bigotterie der nachviktorianischen Gesellschaft. I love it!

„Tage auf dem Land“ von Jane Gardam, 2025 (im Original 1976), Hanser Verlag Berlin, ISBN: 978-3-446-28176-9 (Werbung)

Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei vom Verlag zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Hanser Verlag Berlin sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.

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