Es geht wieder los! Das Tonhalle Orchester startet fulminant in die neue Saison – Music Director PAAVO JÄRVI dirigiert dieses erste Konzert der Saison mit anspruchsvollen Werken von Adès, Schostakowitsch und Rachmaninow und es gibt endlich ein Wiedersehen mit SOL GABETTA, Fokus-Künstlerin der neuen Saison – die proppenvolle Tonhalle feiert diesen wundervollen Saisonauftakt…!
Wie üblich wird das erste Konzert der Saison mit den Begrüssungs- und Dankesreden von Intendantin ILONA SCHMIEL sowie der neuen Präsidentin der Tonhalle Gesellschaft Zürich HEDY GRABER (nicht ganz so launig und amüsant wie ihr Vorgänger, aber dennoch sehr sympathisch…) eröffnet, bevor es endlich losgeht und buchstäblich die Sonne aufgeht mit einem Werk des englischen Komponisten THOMAS ADÈS (*1971), der in dieser Saison Inhaber des Creative Chair beim Tonhalle Orchester Zürich ist, man wird sich also noch auf viel Musik von ihm freuen können, zudem dirigiert er auch zum Ende der Saison sein Klavierkonzert (mit Kirill Gerstein am Flügel). „Dawn“ ist ein eher meditatives Stück und ideal, um in diesen Abend einzusteigen, runterzufahren, tief durchzuatmen und den Alltag hinter sich zu lassen. Das Werk entstand 2020 während der Corona-Pandemie und wurde so konzipiert, dass es sowohl in Kleinstbesetzungen, als auch mit grossem Orchester gespielt werden kann, dies der damaligen Situation mit Abstandsregelungen geschuldet. „In diesem Stück wird der Sonnenaufgang als ein konstantes Ereignis vorgestellt, das sich kontinuierlich um die Welt bewegt„, so Thomas Adès im Vorwort zu seiner Partitur und so wandert das Klangbild auch sukzessive durch das Orchester, von der Harfe über das Klavier bis hin zum Gong – ein wunderbar harmonisches Klangbild, was zuletzt interessanterweise durch die Querflöten durchbrochen wird. Was für ein grossartiger und beruhigender Einstieg in diesen Abend, denn den benötigt man schon für das folgende 2. Cellokonzert Schostakowitschs, das alles andere als „Wohlfühlmusik“ ist und die Solistin, das Orchester und die Zuhörer:innen im Saal gleichermassen fordert. Entstanden zu seinem 60. Geburtstag ist es kein Bravourstück, vielmehr eine gnadenlose Innensicht in die Gefühlswelten, in die Verletzungen, in die Lebens- und Krankheitsumstände Schostakowitschs, es ist ein Selbstporträt, in dem jeder Schmerz, jede Demütigung spür- und erlebbar wird. Als Zuhörer fällt es schwer, das Werk zu kategorisieren, einzuordnen, man versucht etwas für sich persönlich darin zu lesen. SOL GABETTA spielt wie immer wunderbar, macht zusammen mit dem sehr differenziert und durchlässig musizierendem Orchester dieses Werk erfahrbar und zu einem absolut spannenden Ereignis. Schafft man es, sich darauf einzulassen, ist es ein sehr berührendes Musikstück, bewegend, wie das Konzert langsam endet und sich die letzten Töne hinausschleichen, fast macht sich im Saal so etwas wie Betroffenheit breit, bevor der wohlverdiente Applaus losbricht und Sol Gabetta uns gemeinsam mit den Cellist:innen des Orchesters als Zugabe noch Pablo Casals „Song of the Birds“ mit auf dem Weg in die Pause gibt. Bravi!
Thomas Adès: „Dawn“, Chaconne für Orchester „at any distance“ – Dmitri Schostakowisch: Cellokonzert Nr. 2 g-Moll op. 126 – Encore Sol Gabetta (und Cellist:innen des Tonhalle Orchesters): Pablo Casals: Song of the Birds – Sergej Rachmaninow: Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27
Nach der Pause dann grosse romantische Sinfonik und erst mal ein Dynamik-Schock. Nach dem fast schon filigran und zerbrechlich daherkommenden Cellokonzert plötzlich diese Tutti-Gewalt von Rachmaninows 2. Sinfonie in e-Moll in riesiger Besetzung und in der vollen Länge von 60 Minuten. Paavo Järvi gleitet – thank God! – nicht in Kitsch und Sentimentalität ab, stattdessen kommt es mir beim 1. Satz fast so vor, als wäre er und sein Orchester etwas aufgekratzt und muss sich abreagieren, das fand ich äusserst interessant und mit der Zeit gewöhnt man sich dann auch wieder an diesen opulenten Schwall, der mich stellenweise fast platt macht, dann aber beim Adagio mit diesem wundervollen Klarinettensolo (exzellent gespielt von CALOGERO PALERMO) finde ich auch dieses Werk zum hinknien, so schön ist das. Und zu guter Letzt natürlich der finale Ritt durch die Apotheose – diese russischen Komponisten sind manchmal schon wirklich irre.

Ich muss wirklich feststellen: Das Tonhalle Orchester hat in den letzten Jahren unter Paavo Järvi nochmals einen Sprung absolviert, der es nun definitiv einreiht in die grossen und wichtigen Orchester dieser Welt. Ich bin sehr dankbar für diesen wundervollen Abend. Was für eine Kraft und Energie, anstrengend und berauschend zugleich. Toll.
What’s next auf meiner Konzert-Agenda? Tonhalle Orchester Zürich am 26.9.: Paavo Järvi und Ksenija Sidorova (Akkordeon) – Werke von Arvo Pärt, Tõnu Kõrvits und Peteris Vasks.
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Merci pour les découvertes que vous ajoutez à ma culture. 🙏
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