Das Programm des mare Verlags ist immer wieder spannend und bietet interessante Neuerscheinungen und Bestseller, programmatisch passgenau zur ebenfalls immer wieder lesenswerten Zeitschrift. Im Juli 2025 erschien der Debütroman „Das Geschenk des Meeres“ von Julia R. Kelly auf Deutsch – die Handlung klingt zunächst etwas oldfashioned und wie aus der Zeit gefallen, letztendlich ist es aber ein sehr lesenswerter Pageturner über die grossen Themen Liebe, Verlust, Verzicht und auch darüber, dass die Zeit, nicht immer alle Wunden heilen kann..
Liest man den Klappentext, so ist zu befürchten, dass es sich um eine etwas kitschige Mischung aus Liebesroman, Mystery und Thriller handeln könnte, sobald man jedoch eintaucht in dieses Universum, ist man überrascht, wie plastisch und lebensnah die Autorin das harte Leben im Fischerdorf Skerry beschreibt und wie spannend und glaubhaft sich dieser Plot liest.
Schottland, Winter 1900. Am Strand von Skerry wird ein lebloser Junge angeschwemmt. Als der Fischer Joseph ihn ins Dorf trägt, erntet er ungläubige Blicke, denn das Kind ähnelt auf unheimliche Weise dem Sohn der Lehrerin Dorothy, der in einer längst vergangenen Nacht ans Meer ging und nie mehr gesehen wurde. Ausgerechnet Dorothy erklärt sich bereit, das rätselhafte Kind aufzunehmen, bis seine Herkunft geklärt ist. Doch die Anwesenheit des Jungen wühlt nicht nur Dorothy auf, sondern stellt die gesamte Dorfgemeinschaft vor Fragen. Weshalb war Joseph sowohl an dem Tag am Strand, als der fremde Junge angespült wurde, als auch in der Nacht, als Dorothys Kind verschwand? Worüber haben Dorothy und Joseph damals so erbittert gestritten? Und warum wurden sie nie ein Paar, obwohl sie sich für jedermann offensichtlich liebten? (mare Verlag)
Der häufige Perspektivenwechsel gelingt Kelly ganz hervorragend und trägt zum Verständnis vieler Handlungen bei, die Figuren sind authentisch und lebensnah. Der Plot hätte auch komplett in Kitsch abgleiten und zu einem Groschenroman mutieren können. Dies ist nicht der Fall, das ist wohl für mich das Überraschendste an diesem Roman, bei dem ich mich gleich zu Beginn ertappt habe, dass ich bereits mit einer vorgefertigten Meinung, Erwartungshaltung in den Leseprozess gestartet bin. Interessanterweise hat sich nichts davon eingelöst und ich bin eingetaucht in diese Welt, muss abschliessend sagen, dass „Das Geschenk des Meeres“ alles bietet, was ein spannender Roman braucht und sich die Lektüre lohnt (auch wenn stellenweise ein klein wenig dick aufgetragen wird und der ein oder andere Twist etwas konstruiert erscheint…). Die ganz eigene raue Welt an der stürmischen Küste Schottlands mit seinen kantigen, eigensinnigen Menschen nimmt gefangen, bietet grosses Lesevergnügen und ist eine ideale Ferienlektüre – egal ob am Strand oder für dunkle Herbstabende…
„Das Geschenk des Meeres“ von Julia R. Kelly, 2025, mare Verlag, ISBN: 978-3-86648-748-2 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim mare Verlag sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
Zuletzt gelesen:
Res Strehle – Nur fliegen kann er nicht. Harald Naegeli. Eine Biographie.
Caroline Wahl – Windstärke 17
Andreas Maier – Das Haus/Die Strasse (Ortsumgehung 2 & 3)
Claire Keegan – Reichlich spät
Delphine de Vigan – Les Enfants sont rois
Anne Enright – Vogelkind
Ocean Vuong – Der Kaiser der Freude
Nell Zink – Sister Europe
Colin Higgins – Harold und Maude
Karl Ove Knausgård – Das dritte Königreich
arcimboldis world 
8 Kommentare