Nell Zink – Sister Europe.

Auch mit ihrem neuen Roman „Sister Europa“ schafft Nell Zink es, unaufgeregt eine Geschichte zu erzählen und gut zu unterhalten. Der Roman ist ganz nett, aber etwas oberflächlich, auch wenn sie in diesem popkulturellen Text sehr viele topaktuelle, brisante, politische, gesellschaftsrelevante Themen anreisst, aber dann eben leider links liegen lässt, das passt jedoch, denn dieser Berlin-Roman ist eben flüchtig wie die Nacht, in der er spielt…

Die in der Nähe von Berlin lebende und in Kalifornien geborene Autorin ist mir bereits seit ihrem Roman „Das Hohe Lied“ von 2020 bekannt, auch hier hat sie in etwas plapperigen Ton das Leben in den USA anhand mehrerer Protagonist:innen porträtiert. Nun widmet sie sich also erneut einer illustren Ansammlung von Menschen und schildert uns eine erlebnisreiche Nacht in Berlin.

Berlin im Vorfrühling. Eine Zufallsgemeinschaft ganz unterschiedlicher Menschen – ein Kunstkritiker und seine halbwüchsige trans Tochter, ein arabischer Prinz, ein alternder Lebemann mit seinem deutlich jüngeren Internet-Date und eine hinreißende Grande Dame – wandert durch die Stadt, von einem Galadiner im verblüht noblen Hotel Interconti quer durch den nächtlichen Tiergarten, stets verfolgt von einem Kripomann, der Verbotenes wittert. En passant entspinnt sich ein Gespräch voller Witz, Intelligenz, eingebettet in die Topografie und Geschichte der deutschen Hauptstadt, und durch den Plauderton hindurch dringen leise die großen Fragen: nach der Einsamkeit des Menschen, nach der Möglichkeit, sie zu durchbrechen, nach dem eigenen Platz auf dieser Welt. Am Ende finden sich die, die zusammenpassen, und die es nicht tun, finden sich auch. (Rowohlt Verlag)

„Sister Europe“ ist unterhaltsam, amüsant und wer Berlin kennt, der weiss, dass sie mit ihren Beschreibungen den Nagel auf den Kopf trifft und das Wesen dieser Stadt ganz gut trifft, dennoch finde ich die mehrfach gelesenen Hymnen auf diesen Roman etwa überbewertet. Als Sommerlektüre passt das ganz wunderbar, mehr gibt dieser Text für mich aber nicht her, auch wenn es einige Passagen gibt, an denen ich herzhaft lachen musste, wie etwa all die Momente, wenn über die Schweiz palavert wird oder die vielen bunten Klischees über die Stränge schlagen und die Event- und Literaturbranche karikiert werden. Vielleicht ist ein Berlin-Roman für mich aber auch mittlerweile zu weit weg, nachdem ich Deutschland vor bald 19 Jahren verlassen habe…

„Sister Europe“ von Nell Zink, 2025, Rowohlt Buchverlag, ISBN: 978-3-498-00736-2 (Werbung)

Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Rowohlt Verlag sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.

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