Manon Lescaut – Oper Zürich 6.3.2025

Puccinis erster grosser Erfolg „Manon Lescaut“ ist für Regisseur BARRIE KOSKY ein „nichtperfektes Meisterstück“ – das bringt es auf den Punkt und ist mit ELENA STIKHINA in der Titelrolle hervorragend besetzt aktuell am Opernhaus Zürich zu sehen. Und alleine schon wegen der letzten 20 Minuten lohnt sich der Besuch…

Denn es ist sehr bewegend, wie diese Manon zuletzt ganz alleine auf der leeren Bühne steht und sich mit letzter Kraft und Energie an ihr Leben klammert, bevor dieses verlischt, bevor sie in der Ödnis Amerikas verdurstet und engumschlungen am Boden mit ihrer grossen Liebe Des Grieux stirbt. Bis dahin hat sie aber ihr Leben gelebt und sich genommen, was ihr das Leben zu bieten hatte, ohne Rücksicht auf Verluste. Und hier verliert die Regie sich auch oftmals in Klischees und Stereotypen, egal ob es sich um Manons Bruder (ungewöhnlich blass in dieser Rolle: KONSTANTIN SHUSHAKOV, der mir sonst immer sehr gut gefällt…) oder ihren ältlich-biederen, jedoch offensichtlich sehr reichen Liebhaber, den Geronte di Ravoir (SHAVLEG ARMASI) handelt. Schön sind jedoch die Bilder, die Kosky für jeden Lebensabschnitt anhand unterschiedlicher Kutschen dafür findet (Bühne: RUFUS DIDWISZUS), auch wenn der omnipräsente Tod auf dem Kutschbock ein etwas abgegriffenes Bild ist, jedoch zweifelsohne imposant. Und grossartig sind diese Pferde, bei denen man fast zweimal hinschauen muss, um festzustellen, dass diese nicht echt sind, sondern von der Statisterie zum Leben erweckt werden. Der Künstler und Bildhauer JAN VÁGNER hat sie erschaffen, sie sind neben den verschiedenen Kutschen der absolute Hingucker in dieser Produktion. Die Bilder sind einprägsam in dieser Inszenierung, auch der grotesk überzeichnete Chor, für den wohl Ensors Bildwelten Pate standen, trägt stark dazu bei. Das ist auch gut so, denn die Personenregie ergiesst sich in vielen Plattitüden und einmal mehr bleibt SAIMIR PIRGU hauptsächlich mit seinen häufigen Kniefällen und ausgebreiteten Armen in Erinnerung und ich frage mich einmal mehr – wieso? Mehrmals fällt er unmotiviert auf die Knie und singt mit diesem grossen platten tenoralen Gestus, das hat mich schon mehrfach bei ihm gestört, konnte Barrie Kosky das nicht unterbinden? Zumindest schafft Pirgu es im Verlauf des Abends diesen immensen Druck in seiner Stimme etwas zu reduzieren und klingt im Finale wirklich wunderbar, weniger ist einfach oftmals mehr. Elena Stikhina, die in Zürich vor ein paar Jahren als „Salome“ debütierte und einen grossartigen Einstand feierte, ist auch als Manon sensationell. Was für ein voluminöser, dramatischer Sopran, der bis zu ihren letzten Momenten absolut unangestrengt und glasklar tönt. Auch in allen weiteren Rollen ist dieses opulente Frühwerk Puccinis, das jedoch bereits musikalisch viele der nachfolgenden Werke vorwegnimmt – hervorragend besetzt: DANIEL NORMAN (Edmondo), VALERIY MURGA (L’oste), SIENA LICHT MILLER (un musica), Álvaro Diana Sanchez (Il Maestro di ballo), SAMSON SETU (un comandante) und mit wirklich schönem Tenor TOMISLAV JUKIĆ, der als Ninetta ganz am Rande der Gefängnisszene in Le Havre noch etwas transgender-Thematik auf die Bühne bringt. Puccinis spätere meisterhafte Gassenhauer-Opern dominieren – nach wie vor – die internationalen Spielpläne, eine „Manon Lescaut“ oder „La fanciulla del West“ findet man hingegen eher selten im Repertoire. Beide Werke hat Kosky mittlerweile zusammen mit MARCO ARMILIATO am Pult in Zürich auf die Bühne gebracht. Und Armiliato ist sowohl für das Publikum, als auch für die Sänger:innen ein grosser Gewinn. Die Philharmonia Zürich tönt grossartig aus dem Graben, dazu absolute Textverständlichkeit bei den Sänger:innen und dieser so typische Puccini-Farbenreichtum mit seinen schwelgerisch-üppigen Momenten. Ziemlich anstrengend, dass in der besuchten Donnerstagabend-Vorstellung ein Grossteil der Plätze im ersten und zweiten Rang mit Schul-Platzmieten besetzt war und die Lehrpersonen ihre Schüler keineswegs unter Kontrolle hatten – Kulturvermittlung hin oder her, das lenkt total ab und ging mir – gelinde gesagt – ziemlich auf die Nerven. Die permanent über diese Situation motzenden älteren Herrschaften in meinem Umfeld waren ebenfalls nicht hilfreich. Also insgesamt eine für mich eher unentspannte Vorstellung. Was bleibt ist die sehr schöne Ausstattung, diese wunderbaren Pferde und natürlich dieser grosse Schlussmoment mit Elena Stikhina, das fährt ein, das geht absolut unter die Haut, da wurden sogar die Schüler:innen still und leise und konnten sich dem Zauber nicht entziehen.

Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:

525: Rusalka – Staatsoper Stuttgart 27.02.2025

524Dido and Æneas – Grand Théâtre de Genève 23.02.2025

523: Le songe d’une nuit d’été – Opéra de Lausanne 31.12.2025

522: Un ballo in maschera – Oper Zürich 17.12.2024

521: Fedora – Grand Théâtre de Genève 15.12.2024

520: Der fliegende Holländer – Oper Zürich 10.12.2024

519: Liebe zu den drei Orangen – Theater St. Gallen 08.12.2024

518: Leben mit einem Idioten – Oper Zürich 01.12.2024

517: Ariadne auf Naxos – Oper Zürich 10.10.2024