Zu Recht und wohlverdient hat Zora del Buono den Schweizer Buchpreis 2024 für „Seinetwegen“ erhalten. Und im Grunde genommen muss man gar nicht viel dazu Schreiben, einfach Kaufen, Lesen und sich an diesem tollen Text erfreuen!
Bereits ihr Roman „Die Marschallin“ hat mir ausnehmend gut gefallen und direkt seit dem Erscheinen von „Seinetwegen“ lag nun also dieser neue Text auf meinem immer sehr hohen Bücherstapel. Ich habe ihn irgendwann zur Hand genommen und die Nacht damit verbracht, denn man kann es nicht beiseite legen. Dieser Text nimmt gefangen, er ist so viel mehr als eine Recherche, so viel mehr als ein autofiktionaler Text, er erschliesst uns soziokulturelle und historische Informationen einer Epoche, ist gleichzeitig absolut unterhaltsam (alleine schon wegen der Tischgespräche im „Odeon“) und emotional, authentisch, bewegend, gerade weil er nicht nur recherchierte Fakten liefert, sondern wir teilhaben an der Annäherung der Autorin an ihren Vater. Das ist ganz wunderbar.
Zora del Buono war acht Monate alt, als ihr Vater 1963 bei einem Autounfall starb. Der tote Vater war die große Leerstelle der Familie. Mutter und Tochter sprachen kaum über ihn. Wenn die Mutter ihn erwähnte, brach die Tochter mit klopfendem Herzen das Gespräch ab. Sie konnte den Schmerz der Mutter nicht ertragen. Jetzt, inzwischen sechzig geworden, fragt sie sich: Was ist aus dem damals erst 28-jährigen E.T. geworden, der den Unfall verursacht hat? Wie hat er die letzten sechzig Jahre gelebt mit dieser Schuld? Seinetwegen ist der Roman einer Recherche: Die Erzählerin macht sich auf die Suche nach E.T., um ihn mit der Geschichte ihrer Familie zu konfrontieren. Ihre Suche führt sie in abgründige Gegenden, in denen sie Antworten findet, die neue Fragen aufwerfen. Was macht es mit ihr, dass sie plötzlich mehr weiß über ihn, den Mann, der ihren Vater totgefahren hat, als über den Vater selbst? Und wie kann man heil werden, wenn eine Leerstelle doch immer bleiben wird? (C. H. Beck Verlag)
„Seinetwegen“ ist einer dieser wenigen Texte, bei denen man nicht aufhören kann/will zu lesen und man eine gewisse Traurigkeit verspürt, hat man die letzte Seite erreicht, „Seinetwegen“ ist einer dieser Texte, die ewig so weitergehen könnten, weil man sich darin versenkt, weil er mich als Leser sehr berührt. „Seinetwegen“ ist grosser Lesegenuss und unbedingte Lese-Empfehlung!
„Seinetwegen“ von Zora del Buono, 2024, C.H. Beck Verlag, ISBN: 978-3-406-82240-7 (Werbung)
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