Was für ein fulminanter Jahresausklang, besser hätte das Opernjahr 2024 für mich nicht enden können – Benjamin Brittens eher selten gespielte Oper „A midsummer night’s dream“ in einer zauberhaften Inszenierung und mit grossartiger Besetzung an der Opéra de Lausanne….
Natürlich war man gespannt, was der Intendantenwechsel programmatisch mit sich bringt, jedenfalls einen offensichtlichen Wechsel von der obligaten Weihnachts- und Silvester-Operette hin zu diesem musikalischen Kleinod. Hochkarätig besetzt bekommt man einen Sommernachtstraum zu sehen, der besser nicht hätte umgesetzt werden können, es ist die Übernahme einer zauberhaften Produktion, die bereits 2022 in Lille Premiere hatte und alles hat, was man von diesem Stück erwartet. Regisseur LAURENT PELLY entführt uns in eine magische Welt, in ein Reich, in dem es von seltsamen Wesen nur so wimmelt, er zeichnet nicht nur für Regie verantwortlich sondern auch für die geniale Ausstattung, die uns eintauchen lässt in eine Dunkelheit voller Magie und Sternenstaub, in eine Welt voller Spiegelungen in dieser Nacht, in der alles möglich ist, sich sämtliche Paarungen verändern und nichts mehr so ist, wie es war – ich bin hingerissen von der ersten bis zur letzten Minute dieser fast 3.5 Stunden dauernden Vorstellung (inkl. Pause). Die Besetzung ist sensationell, allen voran CHRISTOPHER LOWERYs Oberon, dessen Countertenor einlullt und verführt, an seiner Seite MARIE-EVE MUNGER als Tytania mit herrlich spielfreudiger Energie – was für eine grossartige Szene gemeinsam mit dem wohlklingenden Bass und dem unglaublich komödiantischem Talent von DAVID IRELAND als Bottom aka in einen Esel verwandelten Pyramus. Die beiden Paarungen Hermia (HEATHER LOWE)/Lysander (MICHAEL PORTER) und Helena (AOIFE MISKELLY)/Demetrius (JAMES NEWBY) sind zauberhaft, spielfreudig und bestens bei Stimme, der Abend steht und fällt jedoch mit der unglaublichen Präsenz von FAITH PRENDERGAST als quirligem Puck, als nervig-aufdringlichen Shakespearschen Klugscheisser und doch als absoluten Sympathieträger in der Riege dieser fantastischen Besetzung. Auch die Handwerker sind köstliche Studien einzelner Charaktere: ANTHONY GREGORY (Flute), BARNABY REA (Quincy), THIBAULT DE DAMAS (Snug), GLEN CUNNINGHAM (Snout), ALEX OTTERBURN (Starvelling). Das grossartige Ensemble wird komplettiert von DAMIEN PASS als Theseus, LUCIE ROCHE als Hippolyta und dem omnipräsenten und hervorragend von PIERRE-LOUIS NANCHEN einstudierten Kinderchor MAÎTRISE OPÉRA DU CONSERVATOIRE DE LAUSANNE, aus dem auch die Besetzungen von Cobweb, Peaseblossom, Mustardseed und Moth hervorgehen. Dank der technischen Ausstattung bewegen sich nicht nur Tytania und Oberon sondern auch Puck schwerelos durch Raum und Zeit, verlassen die Bühne, gleiten durch die Nacht bis in den Zuschauerraum und verwischen so die Grenzen von Traum und Wirklichkeit, ein grosses Lob an die unzähligen Techniker:innen, die sich dann bei den Bows in diesen grossen Cast einreihen. Aus dem Graben wabert und vibriert es und GUILLAUME TOURNIAIRE am Pult des ORCHESTRE DE CHAMBRE DE LAUSANNE schafft es, all diese vielen Kleinigkeiten der feinziselierten Musik Brittens herauszuarbeiten und zu betonen – die menschlichen Irrungen, Wirrungen, die Auswirkungen des Tranks, aber auch diese nächtliche manchmal unheilvolle Geräuschkulisse des verzauberten Waldes ist permanent zu spüren und lässt mich eintauchen in diese Welt, die Brittens Musik so zauberhaft erschafft. Was für eine grossartige Gesamtleistung des Lausanner Hauses, wie toll, endlich einmal die Möglichkeit dieses Werk in derart wunderbarer Umsetzung zu erleben. Und die Erkenntnis, dass auch leise und zarte Töne an einem Silvesterabend funktionieren, das Lausanner Publikum dieser Silvestervorstellung und gleichzeitiger Derniere der Produktion war jedenfalls hingerissen.
Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:
522: Un ballo in maschera – Oper Zürich 17.12.2024
521: Fedora – Grand Théâtre de Genève 15.12.2024
520: Der fliegende Holländer – Oper Zürich 10.12.2024
519: Liebe zu den drei Orangen – Theater St. Gallen 08.12.2024
518: Leben mit einem Idioten – Oper Zürich 01.12.2024
517: Ariadne auf Naxos – Oper Zürich 10.10.2024
516: Simon Boccanegra – Oper Zürich 27.09.2024
515: Der Doppelgänger – Luzerner Theater 12.09.2024
514: Tannhäuser – Bayreuther Festspiele 27.08.2024
513: Tristan und Isolde – Bayreuther Festspiele 26.08.2024
512: Siegfried – Bühnen Bern 18.06.2024
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