Ein Besuch im eher kleinen Kunstmuseum St. Gallen lohnt sich immer – aktuell ganz besonders, denn die temporäre Ausstellung „JEDER SPIESSER EIN DIKTATOR“ mit dem visionären Werk der österreichisch-liechtensteinischen Künstlerin Anne Marie Jehle ist einfach grossartig und sicherlich mehrmals den Besuch wert. Dies ist auch der grossartigen Gestaltung von „chezweitz – museale und urbane Szenografie“ zu verdanken…
Was für eine spannende Geschichte: In den 70er Jahren wurde ANNE MARIE JEHLE international bekannt, beendete 1989 ihre künstlerische Tätigkeit, verschnürte, verpackte, versiegelte ihr Haus, zog in die USA, brach alle Kontakte zur Kunstwelt ab. Ihr Werk verschwand und wurde erst nach ihrem Tod wiederentdeckt, als das Haus ein Jahr nach ihrem Tod erstmals geöffnet, die Siegel gebrochen wurden. Es fand sich ein Gesamtkunstwerk. Dieses unglaubliche Œuvre findet sich nun in dieser wirklich sehenswerten Ausstellung wieder, die Show umfasst zahlreiche Medien wie Skulptur und Installation, Malerei, Zeichnung, Fotografie und Text. Im Mittelpunkt ihres Werkes steht eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnissen, insbesondere mit weiblicher Identität und Rollenbildern. Das wirkt teilweise sogar in heutigen Zeiten noch absolut revolutionär, der Walk durch die Räume begeistert mich vollends.







Grossartig beim Rundgang sind die grossflächig zu sehenden Fotos aus der unberührten Wohnung mit all seinen vielen Objekten. Das elterliche Haus in Feldkirch war Basis und Zentrum der künstlerischen Produktion aber auch ein Rückzug von der Aussenwelt. Ab 1965 begann sie ihre Kunst, ihre Arbeiten im Haus auszustellen und aufzubewahren.



„Das (Un)-heimelige, Beklemmende im Geborgenen waren Motive, die sich medial vielfältig durch das ganze Werk zogen und sich bisweilen raumfüllend durch das gesamte Wohnhaus erstreckten. Das Thema des Körpers, des Frauseins, der Sinnlichkeit und Erotik, aber auch die Beschäftigung mit Rollenklischees, Feminismus und der persönlichen Identität waren grundlegende Ausgangspunkte ihres Schaffens. Ihre Fähigkeit, Alltagsgegenstände und persönliche Erfahrungen in ausdrucksstarke Kunstwerke zu verwandeln, macht ihre Arbeit bedeutend, vor allem in der heutigen Diskussion über Gender und Selbstbestimmung in der Kunst. (Kunstmuseum St. Gallen). Eine absolut sehenswerte Ausstellung, die ich sicherlich nochmals besuchen werde.
Kunstmuseum St. Gallen, Museumstrasse 32, 9000 St.Gallen – www.kunstmuseumsg.ch
Zuletzt besuchte Museen und Ausstellungen:
Olga de Amaral – Fondation Cartier pour l’Art contemporain Paris
Katharina Grosse: Déplacer les étoiles. – Centre Pompidou Metz
Immersion. Die Ursprünge 1949-1969 – Musée Cantonal des Beaux-Arts Lausanne
Markus Raetz: Oui Non Si No Yes No – Kunstmuseum Bern
Shirley Jaffe: Form als Experiment – Kunstmuseum Basel
AKRIS. Mode. selbstverständlich – Museum für Gestaltung Zürich
Ragnar Kjartansson: The Visitors – Migros Museum für Gegenwartskunst
Charmion von Wiegand – Kunstmuseum Basel
Wayne Thiebaud – Fondation Beyeler Riehen
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