„Fedora“ findet sich auf den Spielplänen eher selten – schade eigentlich, denn Umberto Giordano muss sich keineswegs hinter Puccini oder Mascagni verstecken. Am Grand Théatre de Genève ist aktuell eine mit ALEKSANDRA KURZAK und ROBERTO ALAGNA hervorragend besetzte und weihnachtlich glänzende Inszenierung von ARNAUD BERNARD zu sehen. Am Pult steht ANTONINO FOGLIANI. Die Reise an den Genfer See lohnt sich!
Der Abend beginnt im stockdunklen Saal, wir sehen die projizierte Online-Pressemeldung des Todes von Fedoras Verlobten Vladimir auf „X-Plore“ (aka Google), der wohl unter mysteriösen Umständen (für die Zuschauer offensichtlich mit einem Kissen erstickt, ermordet während einer Notoperation durch den Chirurgen) in einem Edel-Bordell verstorben ist, man sieht ein Tatort-Foto, dass sich dann zum lebendigen Bühnengeschehen wandelt und uns in die Handlung einsteigen lässt. Die dramatische (Liebes-)Geschichte nimmt ihren Lauf. Die Ausstattung von JOHANNES LEIACKER ist dermassen opulent, dass es Applaus dafür gibt, als der Vorhang sich zum 2. Akt (Empfang im Hause Fedoras in Paris, ein prunkvoller goldener Saal) öffnet und auf der Bühne steht ein Cast, den man sich besser nicht wünschen könnte – Aleksandra Kurzak als Fedora zeigt sämtliche Nuancen, die ihre Stimme zu bieten hat, sicher in den tiefen Lagen, samtig geschmeidig in der Höhe, glaubwürdig in der Darstellung, manchmal fast ein wenig zu beherrscht. Roberto Alagnas Stimme klingt auch nach so vielen Jahren immer noch wunderbar gefestigt und absolut höhensicher. Man hat das Gefühl, dass er „Amor ti vieta“ mit Leichtigkeit und mühelos meistert. Etwas nervig sind hingegen die Menschen, die noch bevor der letzte Ton verklungen ist, bereits ihre Bravi in den Saal rufen. Sind sie nicht in der Lage einen kurzen Moment der Stille auszuhalten und das soeben Gehörte zu geniessen? Diesen Moment nur ganz kurz nachspüren. Was soll das? Ich empfinde das als absolut wichtigtuerisch und störend. Natürlich steht das Paar Kurzak-Alagna absolut im Mittelpunkt, aber auch alle weiteren Rollen sind hervorragend besetzt: SIMONE DEL SAVIO mit seinem kraftvollen Bariton als de Siriex, MARK KURMANBAYEV als Gretch, YULIIA ZASIMOVA als Comtesse Olga Sukarev, SEBASTIÀ PERIS als Loreck, VLADIMIR KAZAKOV als Cirillo, LOUIS ZAITOUN als Baron Rouvel, IGOR GNIDII als Boroff, GEORGI SREDKOV als Sergio, CÉLINE KOT als Dimitri, DAVID WEBB als Désiré und in der stummen Rolle von Lazinski, einem Pianisten, eine stumme Rolle, jedoch mit bravourösem Spiel: DAVID GREILSAMMER. Im letzten Bild wird es dann richtig schweizerisch, wir befinden uns im winterlichen Gstaad in einer ebenfalls prachtvoll goldenen Hotel-Lobby, die Kundschaft reicht von unverkennbar reichen Russen bis hin zu normalen Hotelgästen, die im weissen Bademantel den Weg zum SPA suchen und es sind diese kleinen wunderbaren Details, die die Szenerie so glaubhaft und lebensnah machen (und natürlich blickt man durch die riesige Fensterfront auf den leise rieselnden Schnee und die zauberhaft winterliche Landschaft) und es wird richtig dramatisch, denn Fedora wird mit den Konsequenzen ihrer Tat konfrontiert und stirbt einen pathetischen Tod durch selbstverabreichtes Gift. Also alles, was eine grosse dramatische Oper braucht. Der Abend schliesst konsequenterweise wieder mit den News im Internet von Fedoras Tod. Das ganze Leben und Fedoras Ende dokumentiert für die Öffentlichkeit, einsehbar für jedermann der Zugang zum Internet hat. So läuft das heutzutage. Und der Geheimdienst, der hier wohl überall seine Finger im Spiel hatte? Der macht ungeniert und ungestraft weiter wie bisher. Der russische Geheimdienst ist omnipräsent, in jedem Bild liegt ein dunkler Schatten mit dem Beobachtungsposten im goldenen Setting und überwacht die Szenerie. Eine gut erzählte Story mit grossartiger Besetzung, was will man mehr? Es ist 31 Jahre her, dass ich „Fedora“ zuletzt gesehen habe (damals mit Mara Zampieri als Fedora), es wäre wünschenswert, wenn nicht wieder so viel Zeit vergeht, bis zu einem Wiederhören dieser schönen Musik. Die fein ausgeloteten Klänge des ORCHESTRE DE LA SUISSE ROMANDE unter der Leitung von Antonino FOGLIANI sind absolut sängerfreundlich und mit der genau richtigen Portion an Schmelz und Schmackes, hier wird jede Note, jeder Moment ausgiebig zelebriert und nuancenreich beleuchtet. Eigentlich kein grosser Fan von hochdramatischem Pathos und typischem Opern-Gestus hat mich diese „Fedora“ doch sehr begeistert, szenisch und musikalisch. Bravi!
Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:
520: Der fliegende Holländer – Oper Zürich 10.12.2024
519: Liebe zu den drei Orangen – Theater St. Gallen 08.12.2024
518: Leben mit einem Idioten – Oper Zürich 01.12.2024
517: Ariadne auf Naxos – Oper Zürich 10.10.2024
516: Simon Boccanegra – Oper Zürich 27.09.2024
515: Der Doppelgänger – Luzerner Theater 12.09.2024
514: Tannhäuser – Bayreuther Festspiele 27.08.2024
513: Tristan und Isolde – Bayreuther Festspiele 26.08.2024
512: Siegfried – Bühnen Bern 18.06.2024
511: I vespri siciliani – Oper Zürich 13.06.2024
510: L’Orfeo – Oper Zürich 06.06.2024
509: Wilhelm Tell – Theater St. Gallen 25.05.2024
„Fedora“ habe ich mehrmals 2022-2024 hier in Frankfurt gesehen, in einer schönen Inszenierung von Christoph Loy.
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