Järvi/Ólafsson: Brahms/Thorvaldsdottir/Strawinsky – Tonhalle Zürich 18.09.2024

Saisoneröffnung in der Tonhalle Zürich: Music Director PAAVO JÄRVI dirigiert das 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms, das Highlight des Abends ist sicherlich die Schweizer Erstaufführung von ANNA THORVALDSDOTTIRs „Archora“ und als grosses Finale gibt es die Feuervogel-Suite (von 1919) von Igor Strawinsky…

Der Abend beginnt mit der obligatorisch launigen Eröffnungsrede des Präsidenten der Tonhalle-Gesellschaft Zürich MARTIN VOLLENWYDER, etwas daneben wie ich finde, wenn er darum bittet in der anstehenden Zeit statt für wohltätige Zwecke zu spenden, möge man doch lieber Tickets oder Gutscheine des Orchesters kaufen, dass eher finanzwirtschaftlastige Sponsorenpublikum des Abends lächelt amüsiert und fast klingt es ein wenig wie „O zapft is“, wenn Intendantin ILONA SCHMIEL am Ende ihrer Rede dann sagt, dass nun die 156. Saison des Tonhalle Orchester eröffnet sei und Paavo Järvi und Vikingur Ólafsson den Saal betreten, um endlich mit dem 1. Klavierkonzert von Brahms loszulegen. Ólafsson, der etwas von einem leicht verklemmten Bänker hat und auf der Bühne viel jünger wirkt, als er tatsächlich ist, greift im ersten Satz ziemlich harsch und beherzt in die Tasten, analog zu Järvis ungewöhnlich forschem Dirigat, ein ziemlich krasser Gegensatz zum folgenden samtig weich ausgeführten Adagio, an den nahtlos das Rondo anschliesst. Vor der Pause hören wir dafür noch etwas einlullende Klänge von „good old Sebastian Bach“, wie der Pianist sein Encore ankündigt. Dieses 1. Klavierkonzert von Brahms hat mehr von einer Sinfonie, als von einem Klavierkonzert und einmal mehr merke ich, dass ich damit nicht wirklich warm werde, auch wenn mir das virtuose Spiel Ólafssons sehr gefällt und ich es kaum erwarten kann, wenn er gemeinsam mit Yuja Wang in der Tonhalle sein Recital gibt, ich habe das Gefühl, dass hier Welten aufeinander treffen werden.

Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15 – Anna Thorvaldsdottir: „Archora“ für Orchester – Igor Stravinsky: „L’Oiseau de feu“ Konzert-Suite (1919)

Nach der Pause dann das Highlight dieses Eröffnungskonzerts – die Schweizer Erstaufführung von „Archora“ für Orchester der isländischen Komponistin Anna Thorvaldsdottir, die den Creative Chair der Saison 2024/25 inne hat. Eine wunderbare Klangwelt eröffnet sich uns, dem Publikum, dem Auditorium, der ganzen Welt, hat man das Gefühl, so universell und aus der Tiefe unserer Erde – unseres Seins kommend – klingt diese Musik, die mit einem fetten Forte beginnt und nach ca. 20 Minuten wieder leise verhallt. Da ist dieser allgegenwärtige Grundton der Orgel, der fast schon körperlich spürbar ist und im Zusammenspiel mit Bassposaune, Tuba, Kontrafagott, Bassklarinette sämtliche tiefe Register bedient, das geht wirklich richtig und berührend tief – was für wunderbare Musik!

Thorwaldsdottir wird kräftig und verdient gefeiert, als sie zum Applaus das Podium betritt. Brava! Und wie passend dann im Anschluss Strawinskys „L’Oiseau de feu“ – immer wieder finde ich diese Musik spannend und in diesem Konzert so passend als Ergänzung, als Fortführung von Thorvaldsdottirs „Archora“, beide Werke erinnern mich sehr stark an die ersten Takte von Wagners „Rheingold“, dass gefühlt auch in der Tiefe beginnt und sich chromatisch „nach oben“ schraubt. Ein schöner Saison-Auftakt, das Sponsoren-Publikum applaudiert stehend, bevor es sich zum Schlummertrunk ins Foyer begibt. Ich begebe mich direkt nach Hause, weg von dem Trubel und freue mich immer noch sehr über Thorvaldsdottirs wunderbare und langsam verhallende Klänge im Ohr…

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