Das Theater Winterthur ist bekannt für seinen immer wieder interessant kuratierten Spielplan mit Gastspielen in fast allen Sparten und Disziplinen. Auch im Bereich Tanz holt Thomas Guglielmetti immer wieder spannende, ungewöhnliche Produktionen und Ensembles an das nun neu renovierte und wiedereröffnete Haus…
Nach einer eher trögen und enttäuschenden Saisoneröffnung mit dem CNN Aterballetto und Marcos Moraus „Notte Morricone“ ist nun die Produktion „Alice“ des Taiwanesischen Ensembles „B.DANCE“ mit der Produktion „Alice“ zu Gast. Choreografiert von PO-CHENG TSAI war dies eigentlich eine Auftragsproduktion für das Luzerner Theater, doch konnte das Stück pandemie-bedingt dort nie gezeigt werden und tourt nun durch Europa. So hat man in der Schweiz doch noch die Möglichkeit, diese ganz eigene Version von Lewis Carrolls Klassiker „Alice im Wunderland“ zu sehen. Po-Cheng Tsais Umsetzung ist choreografisch nichts wirklich Eigenständiges, hat keine eigene klar erkennbare Handschrift, sie ist vielmehr eine Melange aus verschiedenen Tanzstilen mit einer guten Portion asiatisch angehauchtem Kolorit. So sieht man oft Bewegungen, die an Tempeltänzerinnen erinnern und Kostüme und Setting haben ebenfalls asiatischen Touch. „Alice“ bzw. die allseits bekannte Geschichte ist universell und kann und soll auch unterschiedlich erzählt werden. Das Kostümdesign (ebenfalls vom Choreographen) erinnert stark an Mode, an High-Fashion, an den Laufsteg, zitiert natürlich ebenfalls etwas Lokalkolorit Taiwans, wie etwa die typischen Kegelhüte der Reisbauern. Alice und die Queen of Spades wirken wie Spiegelbilder, wie zwei ungleiche Schwestern, etwas abgegriffen ist die Farbgebung – Alice in reinem unschuldigen weiss, die Königin in dämonischem rot. Überhaupt wirkt alles ein wenig plakativ, angefangen bei der silbernen Maske mit den Fasanenfedern (als Ohren) des weissen Hasen oder die schwarzen Bäume des Waldes, die jedoch etwas Abwechslung in den ansonsten leeren Bühnenraum bringen. Die elektronische Musik von ROCKID LEE ist nichtssagend und plätschert (in meiner Wahrnehmung an diesem Abend) viel zu laut und basslastig dahin, ist im Vergleich zu vielen anderen neuen Musiken in Tanzproduktionen eher langweilig. „Alice“ springt hin und her zwischen Symbolen, Metaphern und Zitaten aus Ost und West, versucht einen Spagat zwischen beiden Kulturen. Dies gelingt nur mässig und doch ist es banal gesagt „einmal etwas komplett anderes“, man hat das Gefühl in eine andere Welt einzutauchen und das ist dann auch die Quintessenz dieser besuchten Vorstellung, keine Neuinterpretation des Stoffes, tänzerisch und choreografisch mittelmässig, man kann sagen: ganz nett und in die Vorweihnachtszeit passend, denn Setting, Licht und Projektionen (OTTO CHANG, CHIH-CHEN LIU, PO-CHIH CHANG) wirken winterlich. Eine Produktion, die quasi jedem gefällt, in vielen Teilen etwas geschmäcklerisch und anbiedernd ist, sicherlich niemanden aufregt oder gar weh tut. Dem überwiegend älteren Abo-Publikum hat es dem Anschein nach gut gefallen.
What’s next auf meiner Tanz-Agenda? „An American in Paris“ von George Gershwin am Grand Théâtre de Genève…
Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:
Der Nussknacker/Goecke – Ballett Basel Premiere 13.12.2025
Eyal/Arias/Tanzkompanie St. Gallen – Theater St. Gallen Premiere 29.11.25
Der Liebhaber/Goecke – Ballett Basel 09.11.2025
Béjart Ballet: Ballet for Life – Theater 11 Zürich 07.11.2025
Oiseaux Rebelles: Dani Rowe/Mats Ek – Zürich Ballett 31.10.2025
CCN Aterballetto/Marcos Morau: Notte Morricone – Theater Winterthur 02.10.2025
Countertime: MacMillan/Marston/Arias – Ballett Zürich 27.06.2025