El Barberillo de Lavapiés – Theater Basel 05.11.2025

Der Initiative des Regisseurs CHRISTOF LOY ist es zu verdanken, dass am Theater Basel aktuell eines der Hauptwerke, der in Spanien so beliebten Zarzuela zu sehen ist und deren Musik man sofort im Ohr hat. Man kann sich dem Charme des Werkes und der grossartigen Energie sämtlicher Protagonist:innen von „El Barberillo de Lavapiés“ nicht entziehen. Köstliche Unterhaltung auf hohem Niveau…

Vor der Vorstellung lese ich Christof Loys Zusammenfassung der Handlung und denke mir, puh, das ist kompliziert und verworren, was ich dann zu sehen bekomme, ist jedoch so viel einfacher und selbsterklärend und mir wird schnell die Beliebtheit der Zarzuelas in Spanien klar. Das Genre scheint jedenfalls auch auf grosses Interesse beim Basler Publikum zu stossen, denn die besuchte Vorstellung ist so gut wie ausverkauft (auch wenn der Grossteil aus stark überaltertem Abo-Publikum und Schulplatzmieten besteht), die Reaktionen sind dann doch eher helvetisch gemässigt, denn obwohl es vor der Vorstellung eine kurze launige Speech von Santiago Sánchez (dem Darsteller des Don Luis de Haro) gibt, bleiben die Reaktionen doch eher Verhalten und das obwohl er ausdrücklich darauf hinweist, dass Kommentare und Da Capo Rufe – vor allem im 2. Akt – ausdrücklich erwünscht und üblich sind bei Zarzuelas. Nun, der Schweizer ist eben kein temperamentvoller Spanier und so wirkt die einzige Reprise dann doch sehr forciert. Die Dame neben mir singt und summt jedoch lauthals mit und amüsiert sich prächtig und auch ich kann mich dieser positiven Energie nicht verwehren und finde die Produktion und das ganze Drumherum absolut unterhaltsam. Es sind die vielen unwiderstehlichen, spanischen Tanzrhythmen, der häufig etwas schlüpfrige Humor, die witzigen Texte und Dialoge (der deutschsprachigen Übertitelung) und diese funkensprühende Energie des kompletten Ensembles, der man sich nicht entziehen kann, selbst der ab und zu zitierte leicht folkloristische Touch wirkt weder angestaubt noch hausbacken. Ich mag das alles sehr. Die Musik erinnert immer an eine illustre Mischung aus Verdis und vor allem Rossinis Gassenhauern (dessen „Barbier von Sevilla“ dann auch kurz musikalisch zitiert wird), die einzelnen grossen Nummern sind immer wieder von Dialogen und Tanznummern unterbrochen und erinnern sehr an die gängige Konstruktion der hierzulande gespielten Operetten. Jedoch muss man dazu sagen – mit so viel mehr Pep und Energie und Spielfreude und einem absolut schönen, immer wieder neu arrangierten Staging – grosse Szenen, Massen bewegen, dass kann CHRISTOF LOY. Der Haupterfolg liegt natürlich an dieser grossartigen, aus Spanien importierten Besetzung, den qualitativen Unterschied zwischen den Solisten und dem Hauschor des Basler Theaters merkt man dann doch etwas, dieser kann stellenweise bei den äusserst flotten Tempi des SINFONIEORCHESTER BASEL unter der musikalischen Leitung von JOSÉ MIGUEL PÉREZ-SIERRA (dem musikalischen Leiter des Teatro de la Zarzuela in Madrid und somit ausgewiesener Spezialist dieses Genres) nicht immer mithalten und schleppt etwas hinterher, ist sonst aber energiegeladen, tanzt bei den meisten Nummern sogar mit und trägt sehr zum Gelingen dieser Produktion bei. Die Solist:innen sind famos: DAVID OLLER (der mir schon in „La Regenta“ in Madrid 2023 gut gefiel…) ist ein quirliger, witziger Barbier namens Lamparilla und gemeinsam mit Paloma (mit wunderbarem Mezzo und einer immensen spielerischen Bandbreite von zickig bis über beide Ohren verliebt: CARMEN ARTAZA) Dreh- und Angelpunkt der Handlung. CRISTINA TOLEDO als Estrella, la Marquesita del Bierzo ist eine facettenreiche Grande Dame der spanischen Gesellschaft, dazu der Tenor SANTIAGO SÁNCHEZ als Don Luis de Haro, ALEJANDRO BALIÑAS VIEITAS als Don Juan de Peralta, JOSELU LÓPEZ als Don Pedro de Monforte, MARTA CATALINA BAUZA SOLER als Vendedora und GABRIEL COURVOISIER/TEDDY MÉTRIAU als zwei Studenten. Wunderbar auch die wenigen stillen, ruhigen, feinen Momente, in denen zumeist ECHEVERRÍA MARCELINO an der Gitarre (in der Rolle des Lope) zu hören ist. Es ist ein farbenprächtiges Spektakel mit viel Witz und Kritik an Staat und Politik (die man sonst eher von Offenbach kennt), dazu ohrwurmverdächtige Musik und eine permanent durch das Stück wabernde leichte Hysterie (die mich stellenweise an Filme Pedro Almodovars erinnert). Die Ausstattung – in einer eher ruhigen, gediegenen und dezent mediterranen Ästhetik – ist keineswegs mit dem üblichen Spanien-Kitsch überladen oder gar folkloristisch triefend, alles ist wohlüberlegt konzipiert (Bühne: MANUEL LA CASTA, Kostüme: ROBBY DUIVEMAN). Die Choreographien von JAVIER PEREZ sind unaufdringlich, haben aber genau den Pep, den man erwartet, sind lustvoll spanisch, immer mit einem kleinen Augenzwinkern und leichter Ironie versehen, die Tänzer:innen sprühen allesamt vor guter Laune und Spielfreude (IVÁN AMAYA, GIUSEPPE BENCIVENGA, LAURA GARCIA AGUILERA, PASCU ORTI, DAVIDE PILLERA, GIULIA TORNAROLLI, AMPARO UHLMANN, CHIARA VISCIDO). Das Stück hat keinerlei Durchhänger, es gibt nicht einen langweiligen Moment, die grandiose Energie sprüht bis zum grossen Finale. Die Zarzuela begeistert wohl auch deshalb, weil man nicht nur zuschaut, sondern auch mit einbezogen wird, die Sänger:innen sich aus dem Guckkasten direkt an das Publikum wenden und zu entsprechenden Reaktionen auffordern – das kommt gut an, das Basler Publikum gibt Standing Ovations, die knapp 2.5 Stunden Spieldauer vergehen wie im Flug und was bleibt ist absolutes Gute-Laune-Feeling im Saal und auf der Bühne.

Whats next? – „Hänsel und Gretel“ an der Oper Zürich in der Regie von Thom Luz.

Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:

541: Pélleas & Mélisande – Grand Théâtre de Genève 02.11.2025

540: Der Rosenkavalier – Oper Zürich 01.10.2025

539: Tannhäuser – Grand Théâtre de Genève 28.09.2025

538: Manon – Oper Zürich 24.09.2025

537: Elektra – Theater St. Gallen 07.09.2025

536: La Traviata – Grand Théâtre de Genève 22.06.2025

535: Elias – Oper Zürich 17.06.2025

534: Salome – Oper Zürich 15.06.2025

533: Die tote Stadt – Oper Zürich 29.05.2025

532: Carmen – Opera Carlo Felice Genova 25.05.2025

531: Götterdämmerung – Bühnen Bern 16.04.2025

6 Kommentare

  1. casacanarias

    Hola Arcimboldi, exzellente Kommentierung! Da wär ich gern dabei gewesen, aber manchmal ist der Weg dorthin, ob Basel oder Madrid, einfach zu weit. Ein anderes Malo vielleicht …Gibt es im Netz (Youtube) Auszüge, die anhörbar sind? Saludos

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    1. arcimboldis_world

      Also ich denke schon, dass es im Netz präsent ist, denn a) ist es eine Koproduktion mit dem Zarzuela Theater in Madrid und dann gibt es ja auch immer jeweils Trailer an den Häusern, in Basel ja auch. Ich fand es absolut erfrischend und wirklich mal etwas anderes, ein anderes Genre, eine komplett andere Energie, sehenswert! Herzlichst aus Zürich. A.

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