Fleur Jaeggy – Die seligen Jahre der Züchtigung.

2025 erhielt sie den Schweizer „Grand Prix Literatur“, es ist also an der Zeit, endlich etwas von der italienischsprachigen Schweizer Autorin Fleur Jaeggy zu lesen, am besten starte ich direkt mit ihrem bekanntesten Werk „Die seligen Jahre der Züchtigung“, der Titel klingt jedenfalls vielversprechend…

In ihren Werken kritisiert Jaeggy das Schweizer Bürgertum und beschreibt die Schweiz als „gelähmtes Land“, so lese ich und nun bin ich noch mehr gespannt auf dieses eher dünne Bändchen – es ist eine Novelle – welches in einer Neuauflage 2024 im Suhrkamp Verlag erschienen ist. Sie schreibt auf italienisch, der Text erschien bereits 1989 unter dem Titel „I beati anni del castigo“.

Ein Mädcheninternat im Appenzell der sechziger Jahre. Gehorsam und Disziplin prägen die Ordnung des Hauses. Die heitere Landschaft vor den Fenstern treibt die vierzehnjährige Ich -Erzählerin zu stundenlangen einsamen Spaziergängen. Eines Tages erscheint eine Neue während des Mittagessens: Frédérique, schön, streng, verächtlich und voller Überdruss. Frédérique ist anders, etwas Leises und Schreckliches umgibt sie. Ihr sind Beherrschung, Gehorsam und Perfektion bereits zur zweiten Natur geworden. Die Erzählerin ist gebannt von ihrer Erscheinung, sie will sie erobern, sucht ihre Freundschaft. Empfänglich für den morbiden Reiz der Disziplin verfällt sie Frédérique mehr und mehr. Und erst ein ganzes Leben später kann die Erzählerin ihre abgründige Liebe in Worte fassen. (Suhrkamp Verlag)

Die Sprache Jaeggys ist knapp und reduziert, etwas spröde und für meinen Geschmack wenig literarisch. Nüchtern und fast nebensächlich erzählt sie von ihrer Zeit in einem Mädchenpensionat im Appenzeller Land in den 60er Jahren. Sicherlich, aus heutiger Sicht erscheint das wohl etwas banal, zur damaligen Zeit war das jedoch anders, sie verliebt sich in eine Mitschülerin (nehme ich an), konnte sich dieses Gefühl der Liebe nicht eingestehen. Ein spätes Coming Out? Oder doch nicht? Mir erschliesst sich das nicht wirklich, ich nehme es hin, es lässt mich als Leser kalt, wie der ganze Text mich nicht berührt, in keinster Weise. Es ist für Jaeggy eine persönliche, sehr analytische Rückschau, der Leser kann damit machen, was er möchte. Man kann diese Novelle auch einfach als ganz nettes Zeitdokument lesen und entsprechend einordnen, verorten. Für mich ist dieser Text etwas überbewertet. Ich kann keinen Zugang dazu finden. Aber! – Nun habe ich endlich Fleur Jaeggy gelesen. Done! Check! Es wird wohl auch bei diesem einen Text bleiben.

„Die seligen Jahre der Züchtigung“ von Fleur Jaeggy, 2024 (1989 auf italienisch, 1996 auf deutsch erschienen), Suhrkamp Verlag, ISBN: 978-3-518-47427-3 (Werbung)

Zuletzt gelesen:

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