Salome – Oper Zürich 15.06.2025

Die Saison 24/25 neigt sich dem Ende entgegen und in der Oper Zürich sind noch einmal einige Inszenierungen des scheidenden Intendanten ANDREAS HOMOKI zu sehen. Seine „Salome“ von 2021 finde ich auch nach mehreren besuchten Vorstellungen immer noch grossartig, stringent, konsequent und in dieser tollen Besetzung sowieso: ELENA STIKHINA als Salome, KOSTAS SMORIGINAS als Jochanaan sind einfach toll!

Und wieder ist es SIMONE YOUNG am Pult der hervorragend musizierenden PHILHARMONIA ZÜRICH, die einmal mehr beweist, dass Sie über einen grossen Strauss-Erfahrungsschatz verfügt und trotz allem Bombast in dieser (immer wieder grossartigen) Musik unzählige wundervolle sanfte Momente zaubern kann – allein schon die Violinenseufzer bei Salomes Schlussgesang in dieser klaren Deutlichkeit zu hören – das ist wundervoll, Strauss vom Feinsten, macht mich glücklich. Dynamisch reizt Young den Orchesterklang stellenweise bis an die Grenzen aus und stellt eher die dissonanten Ecken und Kanten dieser Partitur in den Vordergrund. Die Sogwirkung von ANDREAS HOMOKIs sehenswerter Inszenierung ist immer noch immens, die einzelnen Figuren immer noch hervorragend gearbeitet für diese Wiederaufnahme. Im symbolhaft aufgeladenen Bühnenbild (der Mond!…) von HARTMUT MEYER entstehen grosse Momente, etwa wenn Jochanaan nach der heftigen Flirt-Attacke Salomes diese verflucht, sie währenddessen aber hemmungslos und ungefragt penetriert, vergewaltigt, sie sich nimmt. Ein starkes Bild. Kein Wunder fordert sie seinen Kopf, aus dem Begehren wird ein Racheakt. In vielen Inszenierungen ein grosser Akt der Peinlichkeit (je nach Regie und Besetzung): der Schleiertanz – hier jedoch hocherotisch – lasziv legt Salome ein Kleidungsstück bzw. eine Lage ihres Petticoats nach der anderen ab und verdreht dem lüsternen Herodes den Kopf, während die Juden als Voyeure geifernd zusehen, auch Herodias beobachtet und jubiliert. Zuletzt zieht Salome ihr pinkfarbenes Höschen aus, an dem Herodes sogleich lüstern zu schnüffeln beginnt – glaubhafte Lust und Lüsternheit auf allen Ebenen. ELENA STIKHINA gab mit der Salome damals in Zürich ihr Hausdebüt und ihre Performance ist einmal mehr grossartig (zuletzt hier gesehen als Manon Lescaut…), auch alle weiteren Rollen bis zur kleinsten Charge sind hervorragend besetzt, allen voran MICHAELA SCHUSTERs Herodias, leicht überzogen, fast schon eine Karikatur, deren herrliche Mimik – ich erinnere mich noch sehr gut an die Premiere, als sie mit diesen Close-Ups pandemiebedingt Live übertragen wurde und deshalb natürlich auch der grosse Hingucker war – ebenso der lüsterne Herodes von JOHN DASZAK in seinem Pfauenfedern-Pyjama und rotblonder Pagenkopf-Frisur (Kostüme: MECHTHILD SEIPEL)! Daszak verzichtet auf jegliche Hysterie und die oftmals nervige Überspanntheit dieser Figur, stattdessen von Anbeginn spürbar das inzestiöse Begehren. OMER KOBILJAK ist ein brilliant klingender Narraboth, SIENA LICHT MILLER erneut ein äusserst überzeugender Page, auch die mehrfach besetzten Juden klingen äusserst präzise und durch die Doppelung voluminös und erfrischend – das sonst manchmal etwas langweilige Quintett wird hier zum Highlight (1. Jude: NATHAN HALLER/RAÚL GUTIÉRREZ/CHRISTIAN STURM, 2. Jude: DANIEL NORMAN, CHRISTOPHER WILLOUGHBY/XUENAN LIU, 3. Jude: MARTIN ZYSSET/TOMISLAV JUKIĆ/ANDREJS KRUTOJS, 4. Jude: ÁLVARO DIANA SANCHEZ/MAXIMILIAN LAWRIE, 5. Jude: LOBEL BARUN/STANISLAV VOROBYOV/SAMSON SETU). Und erneut ein Highlight: Bassbariton KOSTAS SMORIGINAS als Jochanaan überzeugt nicht nur stimmlich, er ist auch ein äusserst attraktiver Prophet, es wundert nicht, will man ihn küssen und man kann Salomes Lust bei ihrem fast schon schmachtenden „In Dein Haar bin ich verliebt, Joachanaan…“ absolut nachvollziehen. Sowohl er, als auch die Juden kommen in schicken und gut geschnittenen dunkelgrünen Anzügen daher und begründen wohl die nächste Generation. Ein neues Zeitalter bricht an, die Zeiten von Dekadenz sind vorbei, dies wird am deutlichsten, als Salome nach ihrem leidenschaftlichen Kuss (mit dem lebendigen Jochanaan), kurz darauf mit dessen Kopf in der Hand die Stufen (wohin? zum Mond? ins Glück? in den Tod?) emporsteigt und die Szenerie verlässt, Herodias und Herodes bleiben zurück, bedrängt von den Juden. Wohlverdienter und langanhaltender Applaus für diese wunderbar emotional aufgeladene letzte „Salome“, vor allem für die erneut grandiose Elena Stikhina – Brava!

Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:

533: Die tote Stadt – Oper Zürich 29.05.2025

532: Carmen – Opera Carlo Felice Genova 25.05.2025

531: Götterdämmerung – Bühnen Bern 16.04.2025

530: Das grosse Feuer – Oper Zürich 30.03.2025

529: Chowantschina – Grand Théâtre de Genève 28.03.2025

528: Macbeth – Theater St. Gallen 23.03.2025

527: Agrippina – Oper Zürich 11.03.2025

526: Manon Lescaut – Oper Zürich 6.3.2025

525: Rusalka – Staatsoper Stuttgart 27.02.2025

524Dido and Æneas – Grand Théâtre de Genève 23.02.2025

523: Le songe d’une nuit d’été – Opéra de Lausanne 31.12.2025