Karl Ove Knausgård – Das dritte Königreich.

Es ist der dritte Band der mehrbändigen neuen Romanreihe KARL OVE KNAUSGÅRDs und für mich bisher der Beste. Ich habe das Gefühl, man nähert sich langsam dem Unbekannten, dem neu am Himmel erschienen Morgenstern, der Kreis beginnt sich zu schliessen. Oder irre ich mich? Knausgårds philosophisches Epos, dass die unterschiedlichsten essentiellen Fragen des Lebens behandelt, bleibt spannend…

Im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Bänden „Der Morgenstern“ und „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ gibt es in diesem Roman keine Leerläufe oder sehr lange philosophische Abhandlungen durch die man sich – zugegebenermassen – durcharbeiten muss, stattdessen ist „Das dritte Königreich“ absolut spannend, so dass man es nicht mehr aus der Hand legen will. Insgesamt ist es aber etwas gefälliger, als die ersten beiden Bände.

Etwas ist in Bewegung in der Welt, es ist, als würde sie heimgesucht – aber von was? Und warum? Die Tage sind endlos lang in diesem Sommer in Norwegen, und die Hitze ist schier unerträglich. Die Welt scheint irgendwie still zu stehen, und als Erstem fällt dies Syvert, dem Bestatter, auf. Immer mehr Tage vergehen, ohne dass Todesfälle gemeldet werden. Wie kann das sein? Viele Fragen hat auch die neunzehnjährige Line, die sich in Valdemar, den Frontmann einer sagenumwobenen Band, verliebt. Sie wird in eine geheime, faszinierende Welt hineingezogen, die sie aber auch ängstigt und an die Grenzen des Verstehbaren bringt. Dies wiederum hat sie mit dem Polizisten Geir gemeinsam, der in einem makabren Dreifachmord ermittelt und über die vermeintlich abwegige Theorie, die er am Ende aufstellt, mit niemandem sprechen kann. Ist es letztlich die fragile Künstlerin Tove, die mehr versteht als die anderen? Sie erschafft Bilder, die von den untergründigen Strömungen aus Sexualität und Tod in den Volksmärchen inspiriert sind. Eines Tages hört sie eine Stimme, die zu ihr spricht – und ihr etwas abverlangt. (Luchterhand Verlag)

Seit der Lektüre des letzten Bandes „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ ist etwas Zeit vergangen und so brauche ich erst ein paar Momente, um mich wieder zurechtzufinden bei den vielen unterschiedlichen Handlungssträngen und Personen, aber plötzlich ist er da, der Moment, wo alles sich findet, der Kreis sich schliesst und die Lektüre grosse Freude macht. Ich mag diese vielen vermeintlichen Belanglosigkeiten, die aber dann doch wichtig sind, sie ergeben genau die Informationen, die es braucht, um den Figuren diese Plastizität zu geben. Ich mag diesen Knausgårdschen Detailreichtum und die Nebensächlichkeiten, ich möchte nichts davon missen und ich mag diese vielen wirklich interessanten Protagonisten, egal, ob es nun die Künstlerin Tove ist oder Valdemar, der Frontmann dieser geheimnisvollen Band. Es sind so unglaublich viele Geschichten und Figuren in diesem neu erschaffenen Knausgård-Morgenstern-Kosmos – dieser bunten Mischung aus Mystery (was ich eigentlich überhaupt nicht mag), Realismus, theologischen und philosphischen Schriften, sogar ein klein wenig Horror und Thriller, also eine wirklich illustre Mischung – und ich würde mir wünschen, dass jede einzelne dieser angerissenen spannenden Geschichten zu Ende erzählt wird. Nun bin ich gespannt auf den vierten, bereits erschienen Band „Die Schule der Nacht“.

„Das dritte Königreich“ von Karl Ove Knausgård, 2024, Luchterhand Literatur-Verlag, ISBN: 978-3-630-87710-5 (Werbung)

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