Christian Kracht – Air.

Die Romane von Christian Kracht begleiten mich seit dem Erscheinen von „Faserland“ 1995. Seitdem lese ich diesen Autor immer wieder gerne und auch der nun bei Kiepenheuer & Witsch erschienene neue Roman „Air“ war für mich eine interessante Lektüre und eine sehr spezielle noch dazu..

Ich frage mich zunächst schon, was das für ein Konstrukt ist, durch das man mich als Leser führt. Alles beginnt in der Stadt Stromness auf den Orkney Inseln (ich grabe in meinem Gedächtnis und stelle fest, dass ich dort sogar schon einmal war…) und bis man sich versieht, begibt man sich auf eine Reise mit den verschiedensten Protagonisten, an die verschiedensten Orte und ich denke sogar in andere Universen und Galaxien, ich befinde mich unter Zeitreisenden und ich frage mich, wohin das führen mag und ob all das Ungewisse zu guter Letzt auch beantwortet werden wird oder ob man sich einmal mehr in einem Roman befindet, der alles offen lässt (ich hasse das….). Der Wechsel zwischen unserer heutigen Zeit und einer archaischen, ja mittelalterlichen Welt, die ein wenig an Heldensagen erinnert, gelingt locker flockig, man springt hin und her und hinterfragt das gar nicht, sondern nimmt das als Tatsache, als gegeben hin und das ist für mich auch die grosse Qualität dieses Romans, alles erscheint so klar und realistisch, obwohl man sich eigentlich fragen müsste, was das soll. Ist es Science Fiction? Historisch? Ein Traum? Eine klassische Heldenreise? Ist es etwas genreübergreifendes, transzendentales, ja gar esoterisches was ich da lese?

In der kleinen schottischen Stadt Stromness auf den Orkney Inseln lebt Paul, ein Schweizer Dekorateur und Inneneinrichter. Als er von einem Design-Magazin einen obskuren, aber lukrativen Auftrag aus Norwegen erhält, begibt er sich auf eine Reise, die ihn an die Grenzen seiner Welt und weit darüber hinaus führt. (Verlag Kiepenheuer & Witsch)

Christian Krachts Roman hat etwas Verstörendes, Radikales, dass man nicht wirklich einordnen kann, vor allem hat man das Gefühl – und das irritiert mich stellenweise doch sehr – permanent Querverweise und Zitate zu lesen, ohne genau zu wissen, woher das rührt, an was mich das erinnert, wo ich das schon mal gelesen, gesehen, empfunden habe. Mit dieser Geschichte verlässt man unsere Zeit, begibt sich auf eine Reise in die Ferne, man weiss nicht wohin, zu einer neuen Zivilisation, in ein anderes Universum? Viele Fragen bleiben mir unbeantwortet, rätselhaft und doch habe ich das Gefühl, aus einem schönen Traum zu erwachen, sobald ich die letzte Seite gelesen habe und den Buchdeckel zuklappe. Ich kann „Air“ nicht einordnen, gefallen hat mir dieser Text dennoch sehr. Nicht verwunderlich, denn „Air“ ist eben auch ein typisches Kracht-Erlebnis, in das man gar nicht mehr hineindeuten muss, als es ist. Dabei weiss ich natürlich, dass bei ihm immer sehr viel mehr dahintersteckt und wer das alles interessant analysiert und wissenschaftlich besprochen haben möchte, dem kann ich nur immer wieder den Blog www.kommunikativeslesen.com von Alexander Carmele empfehlen, der auch einen Post zu „Air“ veröffentlicht hat. Ich bewundere immer wieder die Art und Weise, wie Alexander Bücher bespricht und ganze Abhandlungen darüber zu schreiben vermag, ich bin das nicht, ich bin eine andere Art Leser und Blogger, aber ich bin immer wieder hingerissen, ja fasziniert von seinen ausführlichen, akribischen Texten und kann jedem, der sich intensiver mit Literatur beschäftigt, seinen Blog nur ans Herz legen!

„Air“ von Christian Kracht, 2025, Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3-462-00457-1 (Werbung)

Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Verlag Kiepenheuer & Witsch sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.

Zuletzt gelesen:

Joachim B. Schmidt – Ósmann

Hilmar Klute – Im Traum suche ich immer das Weite

Hilmar Klute – Was dann nachher so schön fliegt

Barbara Kingsolver – Demon Copperhead

Karl Ove Knausgård – Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit 

Édouard Louis – Monique s’évade

Annie Ernaux – Une femme

Jens Rehn – Nichts in Sicht

Heinz Strunk – Zauberberg 2

Rachilde – Nein, ich bin keine Feministin

Zora del Buono – Seinetwegen