Ein wenig albern ist es ja schon, von einer „Ballettfestwoche“ zu sprechen und dann zeigt man genau einen neuen Triple-Bill-Abend des Bayerischen Staatsballetts sechsmal hintereinander und an einem Abend ein Gastspiel der Compagnie Lucia Lacarra. Aber alleine schon wegen PINA BAUSCHs „Frühlingsopfer“, das erstmals in München zu sehen ist, hat sich die Anreise nach Bayern gelohnt…
Pina Bauschs legendäre Choreographie „Das Frühlingsopfer“ entstand 1975 und stellt einen Meilenstein in der künstlerischen Entwicklung der 2009 verstorbenen Tanztheater-Legende dar. Strawinskys epochale kraftvolle Musik von „Le Sacre du printemps“ wirkt natürlich auch konzertant und wurde natürlich schon von zahllosen Choreographen auf der Bühne umgesetzt. Am Pult steht hierfür sowie für den Mittelteil „Faun“ von SIDI LARBI CHERKAOUI der musikalische Leiter des New York City Balletts ANDREW LITTON, der in New York für seine launigen Einführungen vor den Vorstellungen bekannt ist. Mit ihm hat man also jemanden geholt, der sowohl das BAYERISCHE STAATSORCHESTER im Griff hat, als auch genauestens das BAYERISCHE STAATSBALLETT auf der Bühne im Blick hat. Den Strawinsky tanzt das Ensemble auf erdigem Boden, das verstärkt natürlich das rohe, heidnische, kraftvoll derbe Element in dieser immer wieder grossartig zu hörenden Musik mit seinen treibenden Rhythmen und er haftet sich auch nach und nach an die Haut und Kostüme der schwitzenden Körper, das ist brachial und einfach grossartig, aber auf diesem Untergrund für die Tänzer:innen sicherlich eine grosse Herausforderung. Die sich immer wieder zusammenrottenden Frauen, von denen keine weiss, ob sie das Frühlings-Opfer sein wird, das Getriebene, diese allgegegenwärtige Angst, diese Beklemmung und der hörbare Atem der Tänzerinnen überträgt sich und all diese Gefühle sind spürbar bis in den Zuschauerraum. Stark und beeindruckend endet mit diesem Stück dieser Tripple-Bill-Abend. Komplett anders hingegen der eher akrobatische Mittelteil „Faun“ – voller Poesie und verträumt flirrend von Sidi Larbi Cherkaoui choreografiert zur Musik von Debussys „L’apres-midi d’un faune“ mit zusätzlicher Musik von NITIN SAWHNEY, wundervoll getanzt von ZHANNA GUBANOVA und FREDERICK STUCKWISCH (die in diesen Rollen debütieren) und von der Originalbesetzung der Uraufführung 2009 Daisy Phillips und James O’Hara einstudiert.

Das erste Stück des Abends ein Klassiker des Tanz-Repertoires: JÍRÍ KYLIANS Choreographie „Bella Figura“, das 1995 für das NDT entstand und den Körper von Tänzer:innen in den Vordergrund stellt, man sieht, dass vieles Show ist, der Mensch hinter den Tänzer:innen nur sehr selten hervorblitzt und seine Verletzlichkeit zeigt. Kylians Bewegungsabläufe sind exakt zur verwendeten Musik (Vivaldi, Torelli, Pergolesi, u.a.) choreographiert und unterstreichen deren Emotionen, die Tänzer:innen werden zu Ausführenden, stellen hierfür ihre Körper zur Schau. Es geht um die vollkommene Ästhetik von Körpern und deren Bewegungen.

Die Nacktheit der Frauen wirkt heutzutage etwas befremdlich, das hat nichts mit Prüderie zu tun, vielmehr wirft es Fragen auf, ob es das tatsächlich braucht, andererseits gibt es einige Momente, die genau deswegen auch diese unglaubliche Ästhetik haben, da wäre ein Trikot eher hinderlich. Für meinen Geschmack ist diese Arbeit etwas aus der Zeit gefallen, aber natürlich in der Tanzhistorie ein wichtiges Zeitdokument und von den Solisten stark umgesetzt, wie alle drei Stücke von dem auffallend jungen Ensemble hervorragend getanzt wurden. Bravi! Standing Ovations!
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